18. August 2006
Diskussion über Gewerkschaften und Rechtsextremismus bei 3. Muldentallounge
Diskussion über Gewerkschaften und Rechtsextremismus bei 3. Muldentallounge
Wurzen, 18. August 2006: Am gestrigen Donnerstag fand im Kultur- und BürgerInnenzentrum D5 die dritte Muldentallounge
statt. Erstmalig konnte die Diskussionsrunde nach den beiden erfolgreichen Auftaktveranstaltungen im Jahr 2005 im fertig eingerichteten Kulturkeller durchgeführt werden.
Ziel der Muldentallounge ist es, in kleiner Runde gesellschaftspolitisch relevante, wenn auch nicht unbedingt tagesaktuelle Themen aus Politik, Kultur und Gesellschaft zu thematisieren. Diskussionsthema diesmal: Gewerkschaften und Rechtsextremismus. Zu Gast war dafür Prof. Bodo Zeuner, Mitautor einer gleichnamigen Studie, vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.
15 Personen, darunter Abgeordnete des Deutschen Bundestags, des Sächsischen Landtags und des Stadtrats in Wurzen, Vertreter aus Wirtschaft und Gewerkschaft, waren der Einladung gefolgt. Im Brennpunkt der Diskussion: Wie groß ist das Problem Rechtsextremismus in den Gewerkschaften und was kann dagegen getan werden?
Prof. Zeuner stellte heraus, dass das Rechtsextremismuspotential bei Gewerkschaftsmitgliedern wie auch Nichtmitgliedern bei rund 20% liegt. Gleichwohl wäre es verkürzt, Gewerkschaften deshalb als einfaches Abbild der Gesellschaft zu begreifen. So unterschieden sich Gewerkschaften hinsichtlich der Sozialstruktur ihrer Mitglieder deutlich vom Gesamtbild der Gesellschaft. Und: Zumindest in Westdeutschland sei Rechtsextremismus unter Gewerkschaften überdurchschnittlich stark ein Mittelstandsphänomen. Auch sei zu beachten, dass Rechtsextremismus nicht bloß ein von außen in Gewerkschaften hinein getragenes Problem ist. Vielmehr gebe es trotz des Eigenanspruchs von Gewerkschaften für mehr soziale Gleichheit und gesellschaftliche Demokratisierung einzutreten, thematische Anknüpfungspunkte innerhalb der Gewerkschaften, die Anschluss an rechtsextreme Diskurse bieten können. So sei eine verkürzte Kritik an Kapitalismus und Neoliberalismus, die anstelle von komplexen Analysen des Wirtschaftssystems mit klaren Feindbildern arbeite und dadurch in simples Schwarz-Weiß-Denken verfalle in Verbindung mit Forderungen nach einem starken Mann zur Behebung der Missstände ein mögliches Einfallstor für Rechtsextremismus in Gewerkschaften.
Wesentlich zur Abwehr von und Vorbeugung gegen Rechtsextremismus sei, dass sich Gewerkschaften nicht als bloße Arbeitsmarktkartelle oder Dienstleistungsunternehmen ihrer Mitglieder darstellen, sondern sich als Wertegemeinschaft verstehen und dies auch nach außen kommunizieren. Der Solidaritätsgedanke müsse wieder stärker hervortreten und dürfe sich dabei nicht durch nationales Standortdenken selbst beschränken, sondern müsse als internationale Kategorie begriffen werden. Auch müsse eine Abkehr von einer Stellvertreterpolitik, bei der die große Masse der Gewerkschaftsmitglieder passiv bleibe und einige wenige Funktionäre für die politische Interessenvertretung zuständig seien, stattfinden. Demgegenüber müsse das Engagement und damit die aktive politische Partizipation der Mitglieder gestärkt werden. Dabei gemachte Erfahrungen, dass das eigene Engagement politische Veränderungen bewirken kann, seien das wirksamste Mittel zur Ausprägung demokratischer Einstellungsmuster und gegen Rechtsextremismus.
Die Studie "Gewerkschaften und Rechtsextremismus" aus dem Jahr 2004 steht hier zum kostenlosen download bereit.
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