Ich finde die Arbeit des NDK wichtig, weil …

es viele parteiübergreifende Projekte für unsere Schüler_innen anbietet, die uns helfen auf kulturellen oder demokratieerziehendem Gebiet den Erziehungs- und Bildungsauftrag zu erfüllen. Danke. Ich wünsche ihm weiterhin so viel Erfolg und gute Ideen.

Steffen Rößler – Direktor der Pestalozzi Oberschule Wurzen
Geschlafen wird später!
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24. Juni 2005

Erfolgreiche Premiere der Muldental-Lounge

Erfolgreiche Premiere der Muldental-Lounge Lockere Diskussionsrunde zum Thema Medien und Rechtsextremismus mit einem Gast aus Berlin Eine gemütliche Couch, drumherum ein paar Stühle, dazu Getränke und etwas Essen – fertig ist die „Muldental-Lounge“ des Netzwerks für Demokratische Kultur! Unter diesem Label soll in Wurzen ab jetzt regelmäßig über aktuelle, wenn auch nicht tagesaktuelle Entwicklungen und Probleme in Politik, Gesellschaft und Kultur diskutiert werden. Zur Premiere am 19. Juni fanden sich knapp 20 Personen – nicht nur aus Wurzen, sondern auch aus Grimma und Döbeln – im zukünftigen Kultur- und BürgerInnenzentrum D5 ein. Das Thema zum Auftakt lautete: Das Verhältnis von Massenmedien und Rechtsextremisten. Input gab es von Dr. Peter Widmann, Politikwissenschaftler an der TU Berlin und Mitarbeiter am dortigen Zentrum für Antisemitismusforschung. Er hat sich insbesondere mit der Darstellung des Rechtsextremismus in Fernsehbeiträgen beschäftigt. Befragt von Stephan Meister vom NDK, stellte der Wissenschaftler zunächst seine Grundthesen vor und illustrierte sie anhand verschiedener Beispiele. Widmann wies als erstes daraufhin, dass die Berichterstattung über (rechtsextremistische) Gruppen auch immer auf diese zurückwirkt, und deshalb keinesfalls als neutral anzusehen ist. Als Beispiel dafür nannte er den Anstieg rechtsextremer Gewalttaten unmittelbar nach den Anschlägen in Rostock-Lichtenhagen, Solingen und Mölln Anfang der 90er Jahre. Die Gewalttäter hatten, u.a. durch die mediale Berichterstattung, teilweise das Gefühl, im Auftrag einer bisher schweigenden Mehrheit zu handeln. Umso bedauerlicher sei es, dass sich Journalisten bei der Berichterstattung über Rechtsextremismus oft einer Reihe von Routinen bedienten, welche die Auseinandersetzung mit diesem Problem (unbeabsichtigt) erschwerten. Die erste dieser Routine ist eine Vorwegparteinahme gegen die Rechtsextremisten. Die Reporter wollen unbedingt deutlich machen, wie böse die Neo-Nazis sind, was leider dazu führt, dass sie sich mit diesen gar nicht mehr argumentativ auseinander setzen. Dies verstärkt bei den Rechten und möglicherweise auch bei schwankenden Betrachtern den Eindruck, dass sich die „Systemmedien“ gegen Rechts verschworen haben und einer echten Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. „Die Antidemokraten bleiben dabei auf so weiter Distanz, daß über Motive ihres Handels jenseits der Posen und Parolen wenig herauszubekommen ist. Als jugendliche Aliens treten sie dem Zuschauer entgegen, als unbekannte Wesen, über die man nicht mehr wissen muß, als daß ihre Taten abscheulich sind. Dunkel bleibt oft, in welchem Verhältnis Rechtsextremisten zu der Gesellschaft stehen, deren Teil sie sind.“ (Dieses und die folgenden Zitate stammen aus Peter Widmanns Artikel „Entscheidungsschlacht am Bildschirm. Extremistische Provokateure und journalistische Routinen“, der im Herbst im Jahrbuch für Antisemitismusforschung 14 erscheint.) Zweitens werden die Konflikte oft unangebracht dramatisiert – und damit die apokalyptische These der Rechtsextremen unterstützt, das Land stehe vor einer Art „Entscheidungskampf“ zwischen Untergang oder nationaler Wiederauferstehung. Drittens konzentrieren sich die Medien oft zu stark auf den Bezug zum Nationalsozialismus – eine unzulässige Verengung des Themas: „Die Fixierung auf Bezüge zum Nationalsozialismus erleichtert es Extremisten, einer Auseinandersetzung dort aus dem Weg zu gehen, wo sie am schwächsten sind – in der Diskussion über realistische politische und ökonomische Konzepte.“ Gleichzeitig werden die Rechtsextremisten mit dieser Einordnung unangemessen aufgewertet und dämonisiert. All das erleichtert der NPD und anderen, mit einfachsten Mitteln ein Maximum an Aufmerksamkeit zu erringen. Ein Beispiel dafür ist der Skandal im Januar 2005, als die NPD-Abgeordneten Apfel und Gansel im Landtag die Bombardierung Dresdens vor 60 Jahren als „Bombenholocaust“ bezeichneten. Diese Sicht der geschichtlichen Ereignisse ist im rechten Rand der Gesellschaft seit den 50er Jahren weit verbreitet. Trotzdem lösten die beiden NPDler mit ihren Reden, also mit bloßer symbolischer Politik, viel mehr Aufmerksamkeit aus als etwa der Zustand der Jugendarbeit oder der politische Bildung in den Schulen. „Ist einmal die kritische Masse beisammen, die Empörung auslöst, kommt eine Eigendynamik journalistischer und politischer Kommunikation in Gang. Sie bedarf keines weiteren Zutuns der Provokateure, sondern lebt zum guten Teil von der selbstbezüglichen Seite öffentlicher Debatten. Journalisten berichten über Journalisten, fragen nach dem angemessen Umgang mit Rechtsextremen, Politiker sprechen über Politiker, reagieren aufeinander, weisen sich Schuld zu und werden dabei von Journalisten kommentiert.“ Widmann gab nicht vor, ein Pauschalrezept für den richtigen Umgang mit Rechtsextremismus parat zu haben. Viel sei bereits gewonnen, wenn sich die Journalisten der gennanten unbewussten Routinen und der damit verbundenen Probleme bewusst würden. Er empfahl, sich von den symbolischen Aktionen zu emanzipieren, nicht so stark auf die inszenatorische Verpackung zu starren, sondern mehr Hintergrundrecherche zu betreiben und auf die Unzulänglichkeiten etwa des "Wirtschaftsprogramms" der NPD hinzuweisen. Auch sollten sich die Medienmacher nicht nur auf die Konfliktlinie Extremisten gegen Demokraten konzentrieren, sondern auch Konflikten innerhalb des rechtsextremen Lagers Beachtung schenken oder auch Konflikten, die quer dazu liegen, z.B. zwischen den Generationen. „Die Provokateure brauchen Empörte, die sich darauf einlassen, den Kampf an den von den Extremisten bestimmt Fronten aufzunehmen. Dazu muß sich die demokratische Öffentlichkeit nicht zwingen lassen.“ Nach dieser Einführung waren die Gäste der Muldental-Lounge an der Reihe. Sie fragten und debattierten u.a.: Können Journalisten unter den herrschenden Arbeitsbedingungen überhaupt anders handeln? Ist eine gewisse Polarisierung und klare Warnung vor den Rechtesextremen nicht doch erforderlich? Wertet das Eingehen auf die abstrusen Argumente der Rechten diese nicht ungerechtfertigt auf? Welche Rolle spielt die Berufsethik der Medienmacher? Welche Distanz zu den NPD-Abgeordneten ist angebracht? Wie sollte man damit umgehen, dass die NPD auch ganz normale Themen besetzt und diesen allein dadurch automatisch mehr Aufmerksamkeit verschafft als andere Politiker über Jahre? Sollte man die Rechtsextremen, auch in der persönlichen Kommunikation, eher ignorieren oder sich mit ihnen ernsthaft auseinandersetzen? Wie sollte die lokale Presse im Wahlkampf mit örtlichen Kandidaten der extremen Rechten umgehen? Auf all diese Fragen gab es mehr oder weniger zufrieden stellende Antworten. Das Interesse am Thema war jedenfalls so groß, dass auch nach dem Ende des offiziellen Teils in kleinen Gruppen eifrig weiter diskutiert wurde. Somit für das NDK ein gelungener Auftakt der Veranstaltungsreihe „Muldental-Lounge“. Die nächste Runde folgt in etwa zwei Monaten.

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