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13. Juni 2012

Getroffene Hunde bellen – Reaktion auf einen „Leserbrief“ von Herrn Ebert in der LVZ

Miro Jennerjahn, Mitglied des Sächsischen Landtags, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

„Getroffene Hunde bellen“ und „wer lesen kann, ist klar im Vorteil“. Das sind die ersten beiden Sätze, die mir bei der Lektüre des „Leserbriefs“ (als Anlage am Ende des Artikels) von Herrn Ebert in der LVZ vom 12. Juni 2012 einfielen. Da wird wieder einmal die Unterstellung bemüht, das Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. (NDK) – in diesem Fall vertreten durch Herrn Meister – würde die Mehrheit der Wurzener als faschistoid oder ähnliches wahrnehmen. Anlass für diesen neuerlichen Ausflug in die Niederungen pseudo-konservativen Denkens des Herrn Ebert ist der jüngste Newsletter des NDK. Ähnliches hatte bereits der Oberbürgermeister in seiner in der LVZ am 9. Juni 2012 veröffentlichten Stellungnahme zum Newsletter versucht.

Nur: Wenn ich einen Blick auf diesen Newsletter werfe, finde ich dort keine Anwürfe gegen die Bürgerinnen und Bürger Wurzens. Dort finde ich die Feststellung: „Wurzen lebt mit einer schweigenden Menge von Menschen, von denen keiner weiß, was sie wirklich über die neonazistischen Umtriebe denkt. Dauerhaft engagieren sich in etwa 50 – 100 Bürger gegen Neonazis. Der Rest beugt sich den Ausführungen von 'Vertretern' der Stadtgesellschaft, die Ruhe und Ordnung als ihr wichtigstes Ziel erachten. Und diese 'Vertreter' werden solange behaupten für die Bürger zu sprechen, bis ihnen das Gegenteil massiv gezeigt würde – das wird aber nicht geschehen – aus Desinteresse oder Angst?“

Die Behauptung, Wurzen lebe mit einer schweigenden Menge von Menschen, von denen keiner wisse, was sie wirklich über neonazistische Umtriebe denke, wird wohl kaum jemand als falsch bezeichnen können. Daraus abzuleiten, den Wurzener Bürgerinnen und Bürgern sei Nähe zu faschistoidem Gedankengut unterstellt worden, ist nur mit böswilliger Verdrehung des Geschriebenen möglich. Dies allerdings kennzeichnet die Methode Ebert und anderer Akteure nicht nur in seiner aktuellen Stellungnahme, sondern auch schon in der Vergangenheit. In meiner Stellungnahme zum Wurzener Denkmalstreit vom 23. Mai 2012 habe ich dies bereits in groben Zügen skizziert.

 Was in dem Newsletter allerdings als Problembeschreibung vorgenommen wird, ist der Umstand, dass das Schweigen der Mehrheit, von einigen Akteuren in der Stadt dazu instrumentalisiert wird, von sich zu behaupten, für die Bürgerschaft insgesamt zu sprechen und über diesen Weg bestimmen zu wollen, wer zu Wurzen gehört und wer nicht, wer in der Stadt gebraucht wird oder nicht. Herr Ebert zeigt mit seinem Schreiben wie richtig diese Problembeschreibung ist, spricht er doch wieder einmal dem NDK das Existenzrecht ab.

Des weiteren führt er schamlos vor, wie diese Argumentation funktioniert. Herr Ebert erdreistet sich doch tatsächlich zu behaupten, das Kunstprojekt am Wurzener Denkmal für Gefallene des 1. Weltkrieges sei am massiven Widerstand aus der Wurzener Bürgerschaft gescheitert. Zunächst bleibt festzustellen, dass es sich um einen von den Wurzener CDU-Vorkämpfern initiierten Widerstand handelt und mitnichten aus der Wurzener Bürgerschaft (auch dies habe ich in meiner Stellungnahme zum Wurzener Denkmalstreit bereits dargelegt). Des weiteren muss festgehalten werden, dass es gelungen ist, mehrere hundert Unterschriften gegen ein solches Kunstprojekt zu sammeln. Allerdings, auch das gehört mit zur Wahrheit dazu, wurden diese Unterschriften mit Behauptungen gesammelt (angeblicher Eingriff in das bestehende Denkmal, Verschandelung des Denkmals und dergleichen mehr), die jeglicher Realität entbehren. Ich könnte auch sagen, die Unterschriften wurden auf Basis bewusster Lügen gesammelt. Aus diesem Amalgam aus Lügen, Halbwahrheiten und einigen hundert Unterschriften maßt sich Herr Ebert dann an, sich zum Anwalt der Wurzener Bürgerinnen und Bürger aufzuschwingen – gegen Angriffe, die gar nicht erfolgt sind.

Herr Ebert und seine Mitstreiter schaffen ein Klima der Denunziation – nichts anderes. Sie schaffen ein Klima, in dem sich tatsächlich viele Menschen nicht mehr trauen, sich öffentlich zu Wort zu melden, nur um dann als Teil der schweigenden Mehrheit von Herrn Ebert und Co. für ihre Sache vereinnahmt zu werden.

Die Argumentationstechniken von Herrn Ebert ließen sich noch lange analysieren, ich will es bei einem weiteren Beispiel aus dem „Leserbrief“ belassen. Herr Ebert behauptet, das NDK nehme für sich in Anspruch, bei der Oberbürgermeisterwahl 2008 maßgeblich die Hand im Spiel gehabt zu haben. Ein Blick in den Newsletter des NDK hilft auch hier. Im Editorial schreibt Herr Meister: „Insbesondere müssen wir leider ebenfalls feststellen, dass wir mitgeholfen haben, einen Oberbürgermeister Röglin ins Amt zu bringen, bei dem wir davon ausgingen, er würde das Problemfeld der demokratischen Kultur zu seinem machen.“ Das diese Aussage etwas deutlich anderes ist, als die Behauptung von Herrn Ebert, dürfte für jeden offenkundig sein, der des Lesens mächtig ist.

Bedauerlich in der ganzen laufenden Auseinandersetzung ist jedoch, dass Oberbürbermeister Röglin mittlerweile die gleichen abgestandenen Argumentationstechniken nutzt, die von Herrn Ebert ins Feld geführt werden und die sattsam von seinem Amtsvorgänger Dr. Jürgen Schmidt bekannt sind. Auch hier: Statt sich mit dem Thema Rechtsextremismus oder dem Kern der Kritik an seinem Handeln auseinander zu setzen, die Behauptung, das NDK würde alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt beleidigen und dem Image der Stadt schaden. Der Werdegang von Herrn Röglin in der ersten Hälfte seiner Amtszeit ist somit sehr bedauerlich.

Von der vollmundigen Wahlkampfankündigung sich offensiv mit dem Thema Rechtsextremismus auseinander setzen zu wollen (nachzulesen noch immer unter www.roeglin-fuer-wurzen.de) war in der Realität in den letzten knapp vier Jahre wenig zu spüren. Hilfsangebote wurden gar nicht oder nur sehr zurückhaltend angenommen. Davon, dass sich der Oberbürgermeister aktiv vor diejenigen stellen würde, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, war leider so gut wir gar nichts zu spüren. Bereits im Nachgang des Volkstrauertags 2009 habe ich diese Haltungslosigkeit des Oberbürgermeisters im Umgang mit dem Thema in einem offenen Brief kritisiert (zu finden in der Anlage am Ende des Artikels).

Nach wie vor bleibt dazu festzustellen: Rechtsextremismus ist nicht in erster Linie ein Imageproblem. Zuallererst ist er eine reale Gefahr für alle Menschen, die nicht ins Weltbild der extremen Rechten passen und die Demokratie. Das schlechte Image einer Stadt rührt bei diesem Thema vom Nichthandeln entscheidender Akteure. Es ist nicht Resultat des offenen Umgangs mit diesem Problem.

Ich kann nur hoffen, dass Herr Röglin für seine zweite Amtshälfte einen deutlichen Wandel in seinem Agieren erkennen lässt. Andernfalls könnte die Liste der Unterstützer – sollte Herr Röglin eine zweite Amtszeit als Oberbürgermeister anstreben – im nächsten Wahlkampf deutlich kürzer ausfallen als 2008.

Wurzen, den 13. Juni 2012

 

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