9. Dezember 2021
Offener Brief des Netzwerks Tolerantes Sachsen
an den Sächsischen Staatsminister des Innern, Prof. Dr. Roland Wöller
„Innenminister Wöller, setzen Sie die Corona-Notverordnung konsequent durch und schützen Sie die Bürger_innen!“
Das Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. unterstützt den offenen Brief des Netzwerk Tolerantes Sachsen an an den Sächsischen Staatsminister des Innern, Prof. Dr. Roland Wöller.
Wir möchten außerdem in aller Deutlichkeit unsere Solidarität mit der Sozialministerin Petra Köpping ausdrücken.
Wir brauchen eine klare Haltung und deutliche Zeichen gegen Antidemokrat:innen und Faschist:innen. Solidarisch durch die Krise!
Sehr geehrter Herr Staatsminister Prof. Dr. Wöller, als Zusammenschluss von mehr als 120 zivilgesellschaftlichen Initiativen und Projekten möchten wir als Netzwerk Tolerantes Sachsen unser Unverständnis über den gegenwärtigen Umgang mit den maßgeblich aus rechtsextremen Kreisen organisierten, sogenannten Anti-Corona-Protesten zum Ausdruck bringen. Insbesondere Ihr Handeln der letzten Wochen und das vielfache (Nicht-)Handeln der Polizei, deren oberster Dienstherr Sie
sind, bieten Anlass zur Sorge.
Das Infektionsgeschehen in Sachsen hat dramatische Ausmaße angenommen. Nicht nur bundesweit, sondern weltweit nimmt Sachsen hier Spitzenpositionen ein. Aus gutem Grund hat der Freistaat Sachsen eine Corona-Notverordnung beschlossen, um der gegenwärtigen Notlage zu begegnen und das Infektionsgeschehen einzudämmen. Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass Patient_innen in andere Bundesländer verlegt werden müssen, weil die sächsischen Krankenhauskapazitäten an ihre Grenzen gelangen.
Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass andere notwendige medizinische Behandlungen wie Operationen nicht mehr durchgeführt werden können wegen der angespannten Corona-Situation. Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass Bedrohungen durch Corona-Leugner_innen gegenüber Ärzt_innen, Mitarbeiter_innen von Testcentern und Impfzentren, Mitarbeiter_innen im Gewerbe und Einzelhandel, die die Maskenpflicht umsetzten müssen und in vielen anderen Bereichen, nicht zuletzt auch gegenüber Politiker_innen,
zunehmen. Selbst vor dem Privathaus von Sozialministerin Petra Köpping machen die Corona-Leugner und Rechtsradikalen nicht halt. Wann zeigt unser sächsischer Rechtsstaat endlich klare Kante gegen diese radikale
Minderheit?
Als unerträglich empfinden wir zudem die zahlreichen Anti-Corona- Proteste, die maßgeblich von verschiedenen Akteuren der extremen Rechten in Sachsen gesteuert und organisiert werden. Systematisch werden hier jedwede Schutz- und Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ignoriert, was letztlich zur weiteren Verschärfung des Pandemiegeschehens beiträgt. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass diesen Versammlungen seitens der Polizei nicht konsequent begegnet und geltendes Recht umgesetzt wird. Stattdessen zeigt das problematische Vorgehen der Einsatzkräfte der Polizei etwa in Chemnitz, dass beim Demonstrationsgeschehen offenkundig mit zweierlei Maß gemessen wird. Hier ging die Polizei in der vergangenen Woche unverhältnismäßig hart gegen Gegendemonstrant_innen vor, die sich noch dazu an bestehende Schutzauflagen hielten. Zur Rechtfertigung verbreitete die Polizei wahrheitswidrige Aussagen zum Demonstrationsgeschehen und erhält sichtbar Beifall von rechten Kräften. So kann kein ernsthafter rechtsstaatlicher Umgang damit aussehen.
Und es ist vor allem nicht hinnehmbar, dass Sie als Innenminister in der Öffentlichkeit Verständnis für diese sich zunehmend radikalisierenden und aus rechtsextremen Kreisen organisierten Proteste äußern und deutlich machen, dass sie nicht gewillt sind, geltendes Recht durchzusetzen. Es entsteht der Eindruck, dass der Rechtsstaat vor einer demokratiegefährdenden Bewegung kapituliert, was deren Radikalisierung nur noch beschleunigt.
All dies hat eine fatale Wirkung auf die überwiegende Mehrheit der Menschen in Sachsen, die unter großen persönlichen Einschränkungen die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung mittragen. Und es sendet das schlimme Signal an all jene Bundesländer, die sich solidarisch zeigen und sächsische Patient_innen in ihren Krankenhäusern aufnehmen, dass der Freistaat Sachsen nicht genügend unternimmt, um die Infektionszahlen zu senken.
Wir fordern Sie daher auf, die geltende Corona-Notverordnung, die ja durch Sie mitbeschlossen wurde, auch denjenigen gegenüber
umzusetzen, die sich immer wieder bewusst und zielgerichtet darüber hinwegsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Die Sprecher_innen des Netzwerks Tolerantes Sachsen