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4. Januar 2007

Prozess gegen Front Records die 4. Runde

Am 28.12.2006 stand der vierte Verhandlungstag gegen den Inhaber von Front Records Thomas P. sowie einen Mitarbeiter und einen Helfer auf der Tagesordnung. Auch diesmal war der spannendste Teil der Auftakt, der mit der Einstellung des Verfahrens gegen den Helfer gegen eine Geldzahlung in Höhe von 500.- Euro beginnt.

Der Staatsanwalt hatte dies mit dem Verteidiger abgesprochen und auch dem Richter mitgeteilt. Überrascht wurde Richter Weise dann jedoch von der Ankündigung, dass gleichzeitig die Prozesskosten nicht vom Angeklagten getragen werden sollen, sondern vom Staat. Nach einer kurzen Rüge in Richtung Staatsanwalt gibt er dem Antrag jedoch statt. Ein zweiter Beschluss, den Richter Weise zu Beginn verkündet ist, dass der Zeuge Sch., der unentschuldigt nicht vor Gericht erschienen war, eine Geldstrafe in Höhe von 200.- Euro zu entrichten hat, oder zwei Tage in Ordnungshaft muss, sollte er diese nicht entrichten können. Zu einem späteren Zeitpunkt der Verhandlung kündigt er an, den Zeugen Sch. nochmals laden zu wollen, woraufhin sich P. als hilfsbereiter Bürger inszeniert, darauf hinweist, dass Sch. umgezogen sei, und er (P.) selbstverständlich gerne bereit sei, die neue Adresse telefonisch zu erfragen und dem Gericht mit zu teilen. Zuvor hatte es noch ein Gespräch zwischen P., Rechtsanwalt Bonell und Richter Weise darüber gegeben, ob P. den Zeugen selbst einladen dürfe/solle, oder ob eine offzielle Ladung vom Gericht nötig sei. Bonell macht darauf aufmerksam, dass das Gericht dies tun müsse, sonst würde seinem Mandanten nachher noch vorgeworfen, er habe den Zeugen im Vorfeld zu beeinflussen versucht. Richter Weise merkt darauf hin an, dass P. mehr als genug Gelegenheit gehabt habe und noch haben werde dies zu tun, egal von wem der Zeuge geladen wird. Schließlich einigt man sich darauf, dass doch eine offizielle Ladung erfolgen soll, nachdem P. (fürsorglich wie er ist) anmerkte, dass der Zeuge das offizielle Dokument möglicherweise zur Vorlage bei seinem Arbeitgeber benötige. Dann folgt noch eine inhaltliche Anmerkung von Richter Weise zu einem der Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft. Unter den beschlagnahmten Gegenständen gab es auch einen Haufen Fahnen mit einer aufgedruckten Triskele. Der Staatsanwalt hatte diese als strafrechtlich relevant eingestuft, da die Triskele Abzeichen der SS-Division Langemark gewesen sei. Der Richter führt dazu aus, dass die Triskele auf den Fahnen anders aussehe, als die der SS-Division Langemark und er unter diesem Gesichtspunkt der Anklage nicht folgen werde. Mit Verweis auf einen Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz macht er jedoch deutlich, dass die Triskele in der vorliegenden Form möglicherweise dennoch strafrelevant sei als Abzeichen der Jugendorganisation von Blood & Honour (White Youth). Da Blood & Honour als kriminelle Vereinigung verboten wurde, ist auch das Verwenden von deren Abzeichen verboten. Im vorliegenden Verfahren wird also relevant sein, ob die Triskele ein offizielles Abzeichen von White Youth war, oder "nur eines von vielen Abzeichen" - wie Bonell spekulierte. Dann geht es in die Beweisaufnahme. Nachdem am letzten Verhandlungstag das Durchsuchungsvideo der Polizei gesichtet wurde, geht es diesmal darum sämtliche von der Staatsanwaltschaft aufgelisteten Artikel der Anklageschrift in Augenschein zu nehmen. Bedeutet für den Prozesstag: Es wird Musik gehört, Fahnen und Textilien gesichtet, Hakenkreuzabbildungen in CD-Booklets angesehen. Nachdem das erste Lied gehört ist, beschwert sich RA Kunze über den Krach, der ihm nicht zuzumuten sei, wenn das den ganzen Tag so gehe, da würden seine Gehirnwindungen drunter leiden. Man einigt sich schließlich darauf, bei CD's, bei denen die Texte abgedruckt sind, auf das Anhören zu verzichten und die Texte nur zu verlesen. Nicht an allen Stellen bleibt jedoch die Musik erspart und so lauschen wir "netten" Textstellen der Landser wie "Zigeunerpack - jagt sie alle weg, ich hasse diesen Dreck" oder aus dem Lied Kreuzberg "hunderttausende Liter Strychnin, führt das Zeug ins Wasser ein, dann geht die ganze Bande ein". Eines der Lieder, die vorgespielt werden, ist auf Englisch. In dem Lied mit dem Titel Krystallnacht fabuliert die Band Aggrevated Assault darüber, dass sie eine neue Endlösung herbei führen werden, für jeden Juden Kugeln, Gift und Gas parat hätten. Der Staatsanwalt hatte eine Textübersetzung mit beigelegt, konnte sich aber nicht mehr erinnern, ob diese von ihm in Auftrag gegeben wurde, bei einem anerkannten Übersetzer oder ob diese vom Landeskriminalamt geliefert wurde. Grund genug für Bonell und Kunze, die Übersetzung nicht anzuerkennen. In der Verhandlungspause wird von der Protokollantin dann in aller Eile eine vereidigte Dolmetscherin aufgetrieben, die aber sichtlich Mühe hat, den Text zu verstehen (Slang, sie wurde nicht informiert, um welche Thematik es geht, die musikalische Begleitung macht es noch unverständlicher...). Die Verteidigungsstrategie ist auch hier wieder, die Liste der strafrechtlich relevanten Anklagepunkte zu kürzen. RA Kunze bringt dazu eine ganze Reihe Rechtsgutachten ein, aus denen hervorgeht, die manchen CD's Unbedenklichkeit bescheinigen. Unter den Gutachten ist auch eines der in rechtsextremen Kreisen einschlägig bekannten Rechtsanwältin Gisela Pahls. Allerdings behandeln diese Gutachten nur, ob die CD's nach den §§86, 86a und 130 strafbar sind (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Propagandadelikte, Volksverhetzung), nicht jedoch, ob diese möglicherweise nach dem Jugendstrafrecht beanstandet werden können. Bei einem Hakenkreuz in einem CD-Booklet, das aus Sternen besteht, versteigt sich Kunze zu der Aussage, das könne ein Spiralnebel sein. Es gab noch mehr solche Anekdoten, die ich mir leider nicht alle gemerkt habe, jedenfalls wird auch Weise die Ganze Sache zu bunt, und bittet Bonell und Kunze, ihn nicht für völlig bekloppt zu halten. Kunze ist des weiteren eifrig bemüht, die Verhandlungspausen für seine Verteidigungsstrategie zu instrumentalisieren, wenn er im netten Gespräch mit Weise, seine Sprüche los lässt, immer mit dem Verweis, was für ein humorvoller Haufen Rheinländer sind (er selbst ist einer). Das wäre nicht so dramatisch würde er nicht in Nebensätzen immer mal wieder Aussagen fallen lassen nach dem Motto, es sei ja auch unter Wissenschaftlern umstritten, welche Wirkung Musiktexte haben würden. Das seien ja eigentlich Dinge, die in ein Ohr rein und zum anderen wieder raus gehen. Offensichtlich hofft er damit, Weise beeinflussen zu können. Der macht allerdings nicht den Eindruck, als würde ihn das beeindrucken. Auch bei der Beweisaufnahme wird deutlich, dass das Landeskriminalamt in vielen Fällen ziemlich schlampig gearbeitet hat. So stützt sich ein Anklagepunkt des Staatsanwalts auf die Auswertung von CD-Texten des LKA. Dabei wird deutlich, dass es zwei Versionen der fraglichen CD gibt. Eine mit dem bereits als strafrechtlich relevant eingestuften Lied und eine ohne eben dieses Lied. Bei der Durchsuchung wurde letztere Variante mitgenommen, das LKA hat somit eine veraltete Textauswertung an den Staatsanwalt weiter geleitet. Die frohe Botschaft lautet: Auch am 15. Januar (das ist der nächste Verhandlungstag, los geht's um 13.30 Uhr) ist der "Spaß" noch nicht vorbei, auf jeden Fall wird ein weiterer Termin für den 24. Januar angesetzt, ein weiterer möglicherweise für den 14. Februar, wobei es möglicherweise auch ein oder zwei Termine gibt, bei denen nur P. anwesend sein muss, da die zweite Anklage nur ihm gilt, für die bislang noch keinerlei Beweisaufnahme gemacht wurde.

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