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27. Dezember 2006

Prozess gegen "Front Records" wird fortgesetzt

Prozess gegen "Front Records" wird fortgesetzt Ausblick auf den vierten und Rückblick auf den dritten Verhandlungstag Am morgigen Donnerstag geht am Amtsgericht Grimma der Prozess gegen Thomas

P., Betreiber des rechtsextremen Wurzener Versandhandels „Front Records“, sowie zwei weitere Angeklagte in die vierte Runde. Angeklagt sind die drei wegen Volksverhetzung, Gewaltverherrlichung und Jugendgefährdung. Aus diesem Anlass ein kleiner Rückblick auf den leider nicht von der Presse verfolgten dritten Verhandlungstag am 12. Dezember (plus einiger noch nicht erwähnter Aspekte der vorherigen Verhandlungstage): Zunächst ging es noch mal um P.s scheinbare Angewohnheit, von „Front Records“ vertriebene und teilweise auch produzierte CDs bei der Soko Rex in Leipzig vorbeizubringen. Eine auf diese Weise in die Hand des LKA gelangte CD war der Anlass für die Durchsuchung der „Front Records“-Räumlichkeiten in Wurzen, Machern und Schildau am 7. Juni 2005. Unter anderem auf die dabei gewonnen Erkenntnisse stützt sich die Anklage der Staatsanwaltschaft. Laut der Aussage eines Soko-Rex-Beamten am zweiten Verhandlungstag (7.12.2006) hatte P. bei diesen Übergaben aber nie klar zum Ausdruck gebracht, weshalb er ihm diese CDs vorzulegen pflegte. Rechtsanwalt Klaus Kunze zog diese Darstellung nun mit dem Hinweis auf ein Schreiben in Zweifel, in dem P. das LKA darum bat, die strafrechtliche Relevanz einer CD der Wurzener Fascho-Band White Destiny zu prüfen, um der Polizei auf diese Weise die „Anreise auf Staatskosten“ zu ersparen. RA Kunze und P.s Anwalt Stephan Bonell forderten den Staatswanwalt auf zu prüfen, ob die anscheinend unkorrekte Aussage des LKA-Beamten nun für diesen Folgen haben wird. Damit setzen die Anwälte ihre seit Beginn des Prozesses hartnäckig verfolgte Taktik fort, die Aussagen der Polizeibeamten wo immer es geht, und sei es auf den absurdesten Nebenschauplätzen (Wo waren überall Schwärzungen? Verdeckten diese einen ausgestreckten Arm oder kann darunter auch ein anderer „Gruß“ verborgen gewesen sein? Etc.pp.), in Zweifel und damit den Prozess in die Länge zu ziehen. Am zweiten Verhandlungstag musste sich das Gericht beispielsweise auch beinahe eine Stunde lang mit scheinbar manipulierten Akten auseinandersetzen. Bis sich endlich herausstellte, dass RA Kunze sich die Akten (mehrere dicke Ordner) nur vor der offiziellen Anklageerhebung im September 2005 kopiert hatte, also bevor die Seiten ihre endgültige Numerierung bekamen. Die ursprünglich für den ersten Verhandlungstag angesetzte Zeugenvernehmung wurde auf diese Weise bereits auf drei Tage ausgedehnt. Nun verlangte Kunze auch noch einen Abgleich der Gesamtkataloge von „Front Records“ aus dem Durchsuchungszeitraum, um die Frage zu klären, ob die dabei beschlagnahmten Artikel überhaupt zum Verkauf angeboten wurden (dazu diente allerdings im wesentlichen die Internetseite von "Front Records", von der das LKA bei verdächtigen Angeboten regelmäßig Kopien erstellt hat). Ziel ist anscheinend zu zeigen, dass die inkrimierten CDs und Videos gar nicht verkauft werden sollten und die Angeklagten somit deswegen auch nicht strafrechtlich belangt werden könnten. Das eigentliche Programm des dritten Prozesstages bestand aus dem Abschluss der Zeugenvernehmung und in der Sichtung eines Polizeivideos von der Durchsuchung am 7. Juni 2005 in Wurzen. Die erste Zeugin kam noch einmal von der Soko Rex. Einmal mehr ging es darum, nach welchem System die Polizei die bei Durchsuchungen vorgefundenen Gegenstände protokolliert. Die Beamtin war auch bei der Beschlagnahmung von Druckplatten am 7.6.2005 in Machern anwesend, mit denen scheinbar T-Shirts für die mittlerweile zerschlagene Neonazi-Kameradschaft „Sturm 24 Bautzen“ hergestellt wurden. RA Bonell stellte sich mal wieder bewusst dumm, als es um die auf diesem Motiv verwendeten Runen ging. Woher sie denn wisse, dass die dargestellten Runen für „SA“ stünden, erkundigte er sich bei der Beamtin. Bereits am zweiten Verhandlungstag hatte er diesbezüglich wissen lassen, dass siese Zeichen für ihn eher nach „SF“ ausssehen würden. Möglicherweise gebe es ja mehrere Runenalphabete. Könnte man dazu nicht wissenschaftliche Expertise einholen? Spannender wurde es dann bei den beiden abschließenden Zeugen. Den Anfang machte Kai-Uwe S. aus Pirna, der sich als selbständigen Tätowierer und Musikproduzenten bezeichnete. Richter Jürgen Weise fragte ihn nach seinen Geschäftsbeziehungen zu P. und „Front Records“. S. gab zunächst an, er habe wohl mal ein oder zwei CDs für P. produziert. Auf Vorhalt des Richters musste er schließlich zugegeben, dass er mindestens drei CDs für ihn produziert hat. An die genauen Titel erinnere er sich aber nicht mehr, da er ja nicht nur ein Album pro Jahr produziere. Anschließend wurde Bernd P. aus dem süddeutschen Raum befragt. Der Zeuge stammt aus dem Umfeld des seit September 2000 in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ und betrieb in der Vergangenheit selbst einen rechtsextremen Versandhandel. Nach eigener Auskunft hat er sich vor vier Jahren aus der Szene gelöst. Von September 2002 bis März 2004 saß er wegen Körperverletzung und Diebstahl in Haft. Kontakte zu „Front Records“ hatte Bernd P. nach eigenen Angaben in den Jahren 2001/2002. Vor allem über den Angeklagten K., den er noch aus Schulzeiten und von „Blood & Honour“ kannte. Bei der Durchsuchung der „Front Records“-Räumlichkeiten am 20.1.2004 hatte die Polizei in Machern u.a. eine größere Anzahl Fahnen mit dem Schriftzug der „Blood & Honour“ nahestehenden Terrorgruppe „Combat 18“ (plus vermummter Kopf mit Pistole, angedeuteter Triskele und dem Slogan „Whatever it takes“) beschlagnahmt. Diese Fahnen waren im November 2003 auch auf der Internetseite von „Front Records“ angeboten worden. RA Kunze hatte am zweiten Verhandlungstag darauf hingewiesen, dass es sich bei „Combat 18“ um keine inländische Organisation handele und diese deshalb hier auch nie verboten worden sei. Bei seinen Kontakten zum angeklagten Front Records-Mitarbeiter habe es sich nicht um Geschäftsbeziehungen gehandelt, so Bernd P., es seien lediglich Platten getauscht worden. Auf Nachfrage des Richters, welche politische Richtung die CDs hatten, sagte Bernd P., es habe sich dabei um „nationale“ Tonträger gehandelt, „man könnte sie als rechts bezeichnen". Jedoch seien diese alle legal gewesen, wie anwaltliche Prüfungen ergeben hätten. P. selbst sei er nur drei oder vier Mal bei Konzerten begegnet, die er zusammen mit dem angeklagten Front Records-Mitarbeiter besucht habe. Auch sonst scheint P. die „Außenvertretung“ seiner Firma vor allem einem seiner Mitarbeiter zu überlassen, der für „Front Records“ laut den Erkenntnissen des LKA auch graphische Arbeiten, Schriftverkehr und Buchführung erledigt. So sagte am zweiten Verhandlungstag ein Zeuge aus, der bei einer Leipziger Druckerei arbeitet, bei der „Front Records“ bis Mitte 2004 Cover, Booklets und Werbeflyer drucken ließ. Er habe immer nur mit dem angeklagten Mitarbeiter zu tun gehabt und diesen auch für P. gehalten, so der Zeuge. Das Missverständnis löste sich erst auf, als die Druckerei die Geschäftsbeziehung beendete, nachdem sie von der Polizei über den Charakter des Unternehmens in Kenntnis gesetzt worden war. Woraufhin P. erstmals persönlich vorbeikam. Nach der Vernehmung von Bernd P. sollte nun das Polizeivideo von der Durchsuchung der Geschäftsräume in der Walther-Rathenau-Straße 18 in Wurzen gesichtet werden. Nachdem das Video etwa zwei Minuten gelaufen war und Aufnahmen von der Einfahrt, dem Hof und Außenansichten der drei Gebäude zu sehen waren, sprang RA Bonell plötzlich entsetzt auf und forderte den Richter auf, das Video stoppen, da man dieses ja nicht vor Publikum zeigen könne. Nach einer halbstündigen Pause stellte er den Antrag, das Video in dem Prozess gar nicht zu verwenden, da P. von der Polizei nicht gefragt worden sei, ob er gefilmt werden möchte, und somit dessen Persönlichkeitsrechte verletzt worden seien. Dieser Einwand kam ziemlich überraschend, da Bonell und Kunze zuvor mehrfach verlangt hatten, die Aufnahmen von der Durchsuchung zu sehen. Also ging es vermutlich wieder nur um eine Verzögerumg des Prozesses. Oder P. hatte sich spontan überlegt, dass er der „Öffentlichkeit“ doch lieber keine Einblicke in seine Räumlichkeiten gewähren möchte. Als Hilfsantrag fordert Bonell, dass – falls das Video doch gezeigt wird – zumindest die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll. Der Antrag, das Video überhaupt nicht zu zeigen, wurde von Richter Weise nach kurzer erneuter Unterbrechung des Prozesses abgelehnt. Anschließend wurden unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Argumente darüber ausgetauscht, ob das Video unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt wird oder gar nicht. Resultat: Das Video wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt. Der Prozess fand also von 15.20 Uhr bis 16.15 Uhr nichtöffentlich statt. Anschließend wurde die Öffentlichkeit wieder zugelassen. Richter Weise informierte anschließend kurz darüber, was in dem Video zu sehen war. Demnach geht aus den Aufnahmen hervor, dass es zum Zeitpunkt der Durchsuchung in der Walther-Rathenau-Straße 18 sowohl gewerblich als auch privat genutzte Räumlichkeiten gab. Zudem sei eine Person schlafend angetroffen worden. Gegen 16.20 Uhr war der Verhandlungstag beendet. Das zunächst ebenfalls vorgesehene Anhören von einzelnen Liedern wurde aufgrund der fortgeschrittenen Zeit in bewährter Weise auf den nächsten Verhandlungstag verschoben. Dieser findet am morgigen 28. Dezember ab 9 Uhr im Amtsgericht Grimma statt. Danach geht der Prozess im neuen Jahr voraussichtlich am 15. Januar ab 13.30 Uhr weiter.

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