23. Juni 2006
Rechtsextreme Allianzen
Rechtsextreme Allianzen
Von Miro Jennerjahn
Wurzen, 21. Juni 2006: In der Walther-Rathenau-Straße 18 ist dieser Tage häufiger eine Iran-Flagge zu sehen. Was im allgemeinen Trubel der
Fußballweltmeisterschaft als ganz normale Sympathiebekundung für eine der Turniermannschaften durchgehen könnte, erweist sich bei genauerem Hinsehen als eine derzeit beliebte rechtsextreme Strategie.
Schon seit einiger Zeit wird in diesen Kreisen der Schulterschluss mit dem Iran gesucht. So sendet etwa die NPD systematisch Solidaritätsbekundungen in Richtung Iran. Bereits Ende März verkündete der stellvertretende Vorsitzende des NPD-Landesverbandes Sachsen, Holger Apfel, am 21. Juni - Tag des Länderspiels Iran gegen Angola - in Leipzig vor allem die iranische Fußballmannschaft begrüßen zu wollen. Und Matthias Paul, sächsischer NPD-Landespressesprecher und Mitglied des sächsischen Landtages, ergänzt Anfang Mai: „Im Sinne des offiziellen WM-Mottos ‚Die Welt zu Gast bei Freunden‘ werden wir Nationaldemokraten auch die Fußballmannschaft des Iran zu ihrem Spiel in Leipzig begrüßen“.
Vor dem Hintergrund von NPD-Kampagnen gegen eine vermeintliche Überfremdung Deutschlands, die sich immer wieder auch explizit gegen Muslime richten, mögen diese Sympathiebekundungen auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen. So sind diese Äußerungen denn auch nicht als Toleranzbekundungen gegenüber dem Islam zu verstehen. Vielmehr wird damit die Unterstützung der derzeitigen iranischen Regierung und insbesondere des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad signalisiert. Dieser hatte in der Vergangenheit mehrfach den Holocaust geleugnet und die Vernichtung Israels gefordert. Es zeigt sich, dass hier eine Verbrüderung von Rechtsextremisten und islamistischen Ideologen in antisemitischem Geiste erfolgt.
Für den deutschen Rechtsextremismus hat diese Parteinahme eine weitere wichtige Bedeutung. Seit jeher ist die Leugnung und Umdeutung von während des Nationalsozialismus begangenen deutschen Verbrechen ein Schwerpunkt rechtsextremer Geschichtsdeutung. Seit einer Änderung des Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches im Jahr 1994 macht sich jedoch strafbar, „wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung [...] in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost“. Die direkte Leugnung des Holocaust weicht bei der NPD und anderen rechtsextremen Kreisen also der indirekten durch die Parteinahme für die iranische Politik.
Zurück nach Wurzen. Seit dem Jahr 2004 ist in der Walther-Rathenau-Straße 18 der rechtsextreme Versandhandel Front Records ansässig, der als einer der größten in der Bundesrepublik gilt. Front Records vertreibt seine Produkte bundesweit, dazu gehören u. a. CD’s rechtsextremer Bands, Bücher, aber auch Kleidungsstücke und andere Accessoires. Vertrieben wird bspw. die CD „Wurzner Jungs“ der Wurzener Neonazi-Band White Destiny (Weißes Schicksal) oder T-Shirts die Aufschriften tragen wie „Wir bleiben Braun“ oder „Schöner Leben mit Nazi-Läden“. Auch bei Front Records in Wurzen wird also das Medienereignis WM genutzt, um rechtsextreme Propaganda in den öffentlichen Raum zu tragen.
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