5. April 2018
Statement zur Kundgebung "Neues Foum für Wurzen" 26.3.2018
Etwa 200 Personen folgten am Montag, 26.03.2018, dem Aufruf des „Neuen Forums für Wurzen“ um Christoph Mike Dietel zu einer Kundgebung auf dem Markt. Dafür war im Vorfeld auf der
Facebook-Seite des Forums, mit Flyern in der Stadt und auf der rechten Hetz-Seite „Journalistenwatch“ (Informationen dazu: http://www.zeit.de/kultur/2017-12/journalistenwatch-neue-rechte-finanzierung) mobilisiert worden. Geladen hierzu war unter anderem der Verein „Zukunft Heimat“ aus Cottbus (vgl. http://www.belltower.news/artikel/%E2%80%9Czukunft-heimat%E2%80%9D-cottbus-die-neue-pegida-13307).
Der Sprecher Hans-Christoph Berndt nahm die Einladung prompt an und sprach bei der Kundgebung in Wurzen ein „Grußwort“. Dazu waren in der Menge Schilder mit u.a. aus Cottbus bekannten Parolen wie „Heimatliebe ist kein Verbrechen“ und „Multikulti Endstation“ zu sehen. Unter den Teilnehmenden befanden sich auch andere bekannte Personen wie Markus Johnke (ehemaliger Legida-Chef) oder der frühere NPD-Stadtrat Matthias Möbius. Letzterer fungierte sogar als Ordner.
Die Kundgebung richtete sich erklärtermaßen vor allem gegen das Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. (NDK)
Während der Rede von Dietel wurde am Ringelnatzbrunnen von einigen Personen ein Transparent mit dem NDK-Logo und der Forderung „Dem Hetzwerk den Steuerhahn zudrehen“ gezeigt. Als „Hetzwerk“ bezeichnet Dietel schon seit einiger Zeit das NDK und Mitarbeiter_innen des Vereins u.a. als „Faulunken“ und „Mitesser“. Doch nicht nur das NDK ist Ziel seiner E- Mails, Blogeinträge und Facebookseite. Auch andere Menschen, wie beispielsweise der Oberbürgermeister und Angestellte der Stadtverwaltung, aber auch Asylsuchende und Geflüchtete, sind Ziel seiner verbalen Angriffe.
Proteste und Demonstrationen gegen Asylsuchende und deren Unterstützer_innen hat es in Wurzen – wie auch in vielen anderen Orten in Sachsen – in den vergangenen Jahren immer wieder mal gegeben. Dafür wurde ab Ende 2014 vor allem auf der Facebook-Seite „Wurzen wehrt sich gegen Asylmissbrauch“ geworben. Der damalige Legida-Sprecher Markus Johnke versuchte zeitweise, hier – ähnlich wie in Grimma – eine „Bürgerbewegung“ zu etablieren. Dies stieß jedoch nur auf geringe Resonanz. Aus der angekündigten Gründung einer „Bürgerwehr“ ist zum Glück auch nichts geworden.
Aber die Anfeindungen gegen Geflüchtete bleiben nicht ohne Folgen. Vor allem junge Asylsuchende, die in Wurzen leben oder hier zur Schule gehen, werden auf der Straße oder in ihrem Wohnumfeld beleidigt und angegriffen. Zuletzt machten Übergriffe auf ein Haus in der Dresdner Straße und auf eine schwangere Frau aus Eritrea Schlagzeilen. Hierzu verlieren Dietel und sein „Neues Forum“ kaum Worte oder üben sich in Täter-Opfer-Umkehr. Dass das NDK solche Vorfälle öffentlich benennt und verurteilt, wird als „Hetze“ und „Rufmord“ bezeichnet. Im gleichen Atemzug behauptet Dietel fälschlicherweise, das NDK würde all jene zu „Rassisten und Nazis“ erklären, die sich kritisch gegenüber Zuwanderung äußern würden. Diese Pauschalisierung weist das NDK entschieden von sich. Vielmehr handelt es sich um eine klassische Abwehrstrategie der Neuen Rechten und anderer Rechtspopulist_innen: Unter Berufung auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird versucht, jegliche Kritik an rassistischen oder neonazistischen Äußerungen und vor allem Handlungen mundtot zu machen. Diese Haltung widerspricht eklatant den Forderungen des ursprünglichen Neuen Forums von 1989, in dessen Tradition sich Dietel zu stellen versucht.
Der bundesweite Rechtsruck, der sich u.a. in den Wahlerfolgen der AfD niederschlägt, macht auch um Wurzen keinen Bogen. Trotzdem wäre es eine verfehlte Annahme, dass diese Partei oder das „Neue Forum“ für eine Mehrheit der Bevölkerung sprechen. Immer noch steht die Mehrheit der Wurzener_innen für demokratische Werte und es engagieren sich sehr viele Menschen haupt- und ehrenamtlich für die Integration von Geflüchteten und damit für demokratische Werte.
Niemand kann Herrn Dietel und sein „Neues Forum“ daran hindern, diese Werte und das Engagement für ein friedliches Zusammenleben zu bekämpfen. Aber jeder/jede Bürger_in kann widersprechen und ein deutliches Zeichen für demokratische Werte und die Achtung der Menschenrechte setzen.
Das NDK engagiert sich bereits seit seiner Gründung 1999 für ein lebendiges Gemeinwesen und eine demokratische Kultur in Wurzen, dabei ist eine aktive Bürgerschaft und Meinungsvielfalt ein entscheidendes Kriterium für das Gelingen dieses Engagements. Diskussion und Konflikt gehören zu einer demokratischen Kultur dazu, ebenso Gegenwind, das treibt uns an.
Martina Glass + Frank Schubert (NDK)