9. Mai 2007
Stellungnahme des NDK zum Treffen Gey-NPD
Stellungnahme des Netzwerks für Demokratische Kultur e.V. (NDK) zum Treffen des Landrats Dr. Gerhard Gey mit Funktionären der NPD und so genannten „volkstreuen Jugendlichen“ am 24. April 2007
Wurzen, den 8. Mai 2007: Ist der Landrat des Muldentalkreises in eine Falle der NDP getappt? War er naiv oder einfach nur von allen guten Geistern verlassen, als er sich am 24. April auf ein zwangloses Gespräch mit Jugendlichen einließ, die sich selbst als „volkstreu“ bezeichnen? Ja, Herr Dr. Gey wurde nicht mal stutzig, als an diesem Treffen in erster Linie langjährige, ihm teilweise im Kreistag gegenübersitzende Funktionäre der NPD teilnahmen. Warum er sich auf so eine Sache eingelassen hat, diese Frage wird Herrn Gey sicher noch lange beschäftigen. Dass er im Nachhinein bedauert, so gehandelt zu haben, ist verständlich.
Doch der Schaden ist passiert. Die rechtsextreme NPD konnte sich wieder ein Stück weit profilieren, wurde sie vom obersten Verwaltungschef des Muldentalkreises doch zumindest vorübergehend als gleichberechtigter Gesprächspartner akzeptiert. Damit hat er den jahrelangen Bemühungen u.a. des NDK in Wurzen, Standards für den Umgang mit den Neonazis zu etablieren und eine kritische Auseinandersetzung mit allen Erscheinungen des Rechtsextremismus anzuregen, einen Bärendienst erwiesen. Zudem konnte sich die Partei in der Öffentlichkeit als Fürsprecher einer „nationalen Jugend“ aufspielen, die im Muldentalkreis angeblich bereits mehrere „Begegnungsstätten“ betreibt. Schlimmer noch: Mit der Aufforderung, sich von extremistischen Tendenzen zu distanzieren und dem Angebot, ihnen dabei behilflich zu sein, baute Dr. Gey den NPD-Aktivisten beinahe eine goldene Brücke in die Mitte der Gesellschaft. Wie kann man nur ernsthaft annehmen, die neonazistische NPD würde sich tatsächlich von ihrer völkischen Ideologie abwenden? Und ihr Nachwuchs führt diese Ideologie doch bereits in seiner Selbstbezeichnung als „volkstreue“ Jugend!
Immerhin hat die Aufregung um diesen unsäglichen Vorfall auch einen positiven Aspekt: Er zeigt noch mal in aller Deutlichkeit, wie riskant es ist, sich in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten allein auf Kommunalpolitiker und die kommunale Verwaltung zu verlassen. Diese mögen auf den ihnen eigenen Gebieten hochkompetent und engagiert sein, beim Thema Rechtsextremismus erweisen sie sich immer noch als teilweise erstaunlich blauäugig und zudem beratungsresistent. Anders ist es nicht zu erklären, dass beispielsweise Herr Gey die im Titel des neuen Bundesprogramms gegen Rechtsextremismus als Ziel eingeforderte Vielfalt und Toleranz ausgerechnet im Umgang mit der neonazistischen NPD und ihrer Jugend praktizieren wollte – und sich davon auch nicht durch Warnungen verschiedener Fachleute abbringen ließ.
Leider wurde die Ebene der kommunalen Verwaltung durch das neue Programm des Bundesfamilienministeriums („Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“) zum eigentlichen Herren des Verfahrens. Bereits Ende des vergangenen Jahres unkten Beobachter, dass damit mancherorts der Bock zum Gärtner gemacht wird. Die seit langen auf diesem Feld aktiven Initiativen und Vereine, die sich bei Vorgängerprogrammen wie CIVITAS noch eigenständig um Fördermittel bewerben und somit agieren konnten, sind nun auf wohlwollende Einbeziehung in den „Lokalen Aktionsplan“ (LAP) angewiesen.
Welche Schwierigkeiten es dabei geben kann, zeigte sich im Muldentalkreis schon recht früh: Das NDK, das sich immerhin seit beinahe acht Jahren für die Zurückdrängung rechtsextremer Einstellungen und für eine demokratische Kultur im Muldentalkreis engagiert, wurde zunächst wie auch andere aktive Vereine und Einrichtungen etwa der kirchlichen Jugend- und Sozialarbeit komplett außen vor gelassen. Erst nach einer zähen und nervenaufreibenden Auseinandersetzung wurden diese Organisationen noch nachträglich in den Begleitausschuss des LAP aufgenommen. Dieser relativ willkürlich zusammengesetzte Ausschuss entscheidet über die Vergabe der LAP-Mittel – und nicht etwa die Kreisräte, wie von Herrn Gey in seiner Stellungnahme vom 7. Mai irrtümlich behauptet. Ob das NDK und die anderen nachträglich berücksichtigten Träger dort jedoch noch wirksam Einfluss ausüben können auf eine sinnvolle Verwendung der größtenteils schon verplanten und versprochenen Gelder, bleibt abzuwarten.
Angesichts dieser Erfahrungen sollte nun eigentlich auch Landrat Dr. Gey erkennen, dass er von der wirklichen Einbeziehung erfahrener Akteure wie dem NDK oder dem MBT nur profitieren kann. Für andere Aufgaben holt man sich ja auch Spezialisten! Auch wenn niemand einen „Königsweg“ parat hat – Erfahrungen im Umgang mit der NPD und anderen Rechtsextremisten liegen bereits zur Genüge vor. Sie müssen nur abgerufen werden.
Zudem muss der gesamte LAP-Prozess viel transparenter und demokratischer gestaltet werden. Das federführende „Ämternetzwerk“ hat sich in dieser Hinsicht bisher nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sondern sich eben wie ein Amt verhalten. Das ist kontraproduktiv. Von den bisher angekündigten LAP-Projekten ist auch noch keines so richtig in die Gänge gekommen. Dabei läuft das Programm im Muldentalkreis, der ja u.a. wegen der langjährigen Aktivitäten des NDK als Modellregion ausgewählt wurde, offiziell schon seit Anfang des Jahres. Doch auch die Programm-Website www.mtl-tolerant.de bietet bisher vor allem gähnende Leere. Somit steht insgesamt zu befürchten, dass die vom Bund für die Zurückdrängung des Rechtsextremismus zur Verfügung gestellten Fördermittel nicht wirklich effektiv verwendet werden und weiter wertvolle Zeit verloren geht. Die NPD und ihre „volkstreue Jugend“ sind ja, wie man sieht, alles andere als untätig. Auch wenn sie nun vermutlich doch keine Fördermittel aus dem LAP bekommen werden, wie sie zunächst großmäulig behauptet hatten. Das wäre ja – wie jede andere (indirekte) Form der Unterstützung auch – tatsächlich ein ausgemachter Skandal.
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