Redebeiträge 03. März 2024
Alle Beiträge der Kundgebung "Nie wieder ist jetzt - Für Demokratie und Toleranz im Wurzener Land"
Fridays For Future Wurzen
Ich bin seit mehreren Jahren hier in Wurzen aktiv, vorrangig bei Fridays for Future, aber auch in anderen Kontexten. Und ich komme von hier, ich bin hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, während des Studiums immer wieder hier gewesen und bin danach auch wieder hierher zurückgekommen. Das ist untypisch für junge, politisch aktive und auch nur vage als links einzuordnende Menschen. Warum?
Viele Gründe, zu denen neben z. B. wenigen kulturellen Angeboten für junge Menschen auch zählt, dass in Wurzen aufzuwachsen bedeutet, mit Rechtsextremismus konfrontiert zu sein. Wurzen hat einen Ruf wie viele andere, gerade ostdeutsche Kleinstädte. Der wahre Kern dieses Rufs fällt einem im Alltag manchmal gar nicht mehr auf, oder direkt auf die Füße. Hakenkreuze an Bushaltestellen, riesige AfD-Plakate auf Werbeleinwänden. Leute, die beim Einkaufen stolz von einer Demo mit den Freien Sachsen in Wurzen erzählen, und die Verkäuferin dazu einladen, völlig schamlos.
Das sind unangenehme Momente, aber es gibt viel schlimmere Erfahrungen in Wurzen, auch von jungen Menschen, bis hin zu Beleidigungen oder körperlichen Übergriffen. Personen, die sich öffentlich äußern, die anders aussehen, als das, was ins Bild der neuen Rechten passt, bekommen Drohnachrichten, werden auf der Straße öffentlich, vor allen, bespuckt und beleidigt. Der Nachhauseweg wird ein ständiges Abwegen, wo man um diese Tageszeit langgehen kann, um möglichen Anfeindungen aus dem Weg zu gehen. Die Orte, an denen man sich gerne aufhält, wo man sich sicher fühlt, werden immer weniger. All das ist Teil der systematischen Angstgenerierung durch Neue Rechte. Eine Situation, die hier vor Ort schon seit den 90ern besteht, die auch nicht mit einem AfD-Verbot enden würde.
Das ist eine Situation, in der junge Menschen aufwachsen und eigenständig politische Meinungen entwickeln und vertreten lernen sollen, wo der Grundstein dafür gelegt werden müsste, dass sie demokratisch denken und agieren können. Wenn in einem solchen Umfeld, in dem extremrechte Gedanken präsent sind, teilweise in der Familie, im Sportverein als Normalität dargestellt werden, braucht es freie Räume in denen vielfältige Informationen zur Verfügung stehen, in denen sich junge Menschen begegnen und Solidarität und Toleranz gestärkt werden kann.
Diese freien Räume gibt es in Wurzen zu wenig. Aktuell fallen zusätzliche Fördermittel weg für Projekte der politischen Bildung, für Angebote, die man jungen Menschen machen könnte, um zu verhindern, dass sie Opfer oder Täter*innen werden. Schlimmste Konsequenz vor Ort sind noch weniger Anlaufstellen für junge Menschen, die anders denken, die queer sind, die nicht-weiß sind. Konsequenz sind letztendlich mehr junge, progressiv denkende Menschen, die von hier weggehen.
Ich habe von anderen jungen Menschen Kritik zu dieser Demo gehört. Es gäbe doch andere Wege in Wurzen. Ja, die gibt es, viele beschreiten die auch seit Jahren und Jahrzehnten, die meisten davon ehrenamtlich, nebenher, während in unserem Stadtrat neben Demokrat*innen Rechtsextreme sitzen und Menschen, die sich von diesen nicht klar abgrenzen. Warum also eine Demo? Wir schließen uns hier keiner Modeerscheinung an. Wir gehen aktiv um mit den Problemen in unserer Stadt – ja auch in anderen, ja in ganz Deutschland, aber ja, auch in unserer Stadt. Weil trotz des angeblichen Engagements, das hier immer jeder und vor allem die Stadt angeblich zeigt, wenn es um Demokratie, Antirassismus, Antifaschismus geht, Wurzen ein Ort ist, der für manche Menschen gefährlich ist. Und das ist keine Übertreibung, das ist keine Polemisierung, das ist einfach ein Fakt. Ein sehr trauriger.
Und das zu sagen, wie hier auf so einer Demo, ist laut. Das ist unbequem. Genauso sollte es auch sein für Nazis und ihre Türöffner*innen. Unbequem. Das kann man nicht mit Händchen halten, mit Kompromisse machen regeln. Für viele Themen sind das richtige Ansätze, fürs Durchsetzen von Menschenrechten? Fürs Positionieren gegen Nazis? Fürs Aufrechterhalten unserer Demokratie? Da braucht es mehr, denn da gibt es keine Vielleichts, keine Ja, aber sehen wir doch mal die andere Perspektive. Wir haben hier vor Ort Nazis. Wir haben hier vor Ort Menschen die Nazis wählen. In unser aller Mitte, ganz gemütlich, und leider nicht wenige. Schluss damit.
Wir als Fridays for Future Wurzen wollen eine Stadt, die nicht nur mit der Klimakrise vernünftig umgeht, sondern in der Demokratie in allen Bereichen gelebt wird und in der junge Menschen leben können und wollen. Das bedeutet die Wertschätzung von Engagement in allen Bereichen, nicht nur in dem was in einem offiziellen Gremium oder einer Verwaltung stattfindet und vielfältige Angebote der demokratischen Bildung. Wir wollen eine Stadt, in der Menschen einfach leben und nicht diskriminiert werden können, egal wen sie lieben, woher sie kommen, welcher Religion sie angehören, welche Hautfarbe oder welches Geschlecht sie haben und so weiter. Dafür braucht es eine wache, aufmerksame Zivilgesellschaft, die aufsteht und auch im Alltag laut wird, nicht nur zu einer Kundgebung. Dafür braucht es echte Solidarität und die Bereitschaft, sich und die eigenen Vorurteile und Vorstellungen von Normalität in Frage zu stellen, dazuzulernen. Und die Offenheit dafür, das zu benennen, was schiefläuft, denn sonst kann man es nicht verändern. Und das zu tun, Probleme anzusprechen, laut zu werden, ist ein Zeichen von Respekt vor unserer Demokratie und voreinander. Respekt, den wir alle verdient haben.
Jonas Siegert (GrimmazeigtKante)
Hallo Wurzen, mein Name ist Jonas Siegert und ich spreche hier heute für das Aktionsbündnis Grimma zeigt Kante. Kurz zum Bündnis: Wir haben uns vor 2 Jahren gegründet und seitdem mehrere Aktionen in Grimma durchgeführt. Wir setzen uns für Vielfalt und Toleranz ein und wollen die Demokratie in Grimma wieder beleben. Wir sind ein Zusammenschluss aus mehreren Parteien, Organisationen und Privatpersonen. Nun aber zur heutigen Demo: es ist ein schönes Bild von hier oben auf den Marktplatz! Es ist einfach nur ermutigend wie viele Menschen sich heute hier versammelt haben trotz der rechten Strukturen in Wurzen. Dafür danke an euch und vor allem ein Dank an die Organisator:innen.
Seit Wochen gehen Millionen Menschen deutschlandweit auf die Straßen um für unsere Demokratie einzustehen und diese zu verteidigen. Auch heute findet bspw in Markranstädt parallel eine Demo statt. Das ist so schön anzusehen und auf jeder Demo denke ich mir einfach nur WOW. Solche Bilder hätte ich mir wirklich nicht erträumen können. Es motiviert mich und gibt mir Kraft weiter zu machen. Gerade hier in Sachsen ist das umso wichtiger – vor allem wenn in sächsischen Kleinstädten wie Wurzen, Grimma oder Döbeln hunderte Menschen auf die Straßen gehen. Denn genau in solchen Städten sind rechtsextreme wie die AfD oder Freie Sachsen besonders gut organisiert. Und Wir dürfen
solchen Leuten nicht den öffentlichen Raum überlassen, denn wir sehen es überall: Wir sind mehr. Auch die heutige Gegendemo ist ein Witz im Vergleich mit dieser Demo.
Dennoch dürfen wir die Gefahr nicht ignorieren und herunterspielen. Wir müssen aktiv politische Arbeit leisten – überall. In der Schule, auf Arbeit im privatem. Wir dürfen nicht müde werden immer wieder für Werte wie Offenheit, Toleranz und Vielfalt einzutreten. Ich weiß dass das nicht immer einfach ist, häufig denkt man man redet gegen
Wände, aber zusammen kann man so viel erreichen. In diesem Jahr stehen mehrere wichtige Wahlen an. Allen voran die Landtagswahl in Sachsen. Jede und jeder einzelne ist in der Pflicht alles dafür zu tun, um gegen rechtsextremes Gedankengut zu kämpfen. Wo Dialog geführt werden kann müssen wir Dialog führen.
In Grimma haben wir gestern als „Grimma zeigt Kante“ eine eigene Liste zur Stadtratswahl aufgestellt. Uns ist es gelungen verschiedene Parteien und Privatpersonen auf unserer Liste zu vereinen. Gemeinsam wollen wir uns für ein Grimma stark machen welches demokratischer, klimafreundlicher und sozialer ist. Diesen Zusammenhalt braucht es gerade jetzt. Gerade jetzt in Zeiten wo die Brandmauer bei der CDU bröckelt, wo der Spitzenkandidat der FW in Sachsen eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschließt. Eine AfD die in mehreren Bundesländern als
rechtsextremistisch eingestuft wird und unsere freiheitlichdemokratische Grundordnung abschaffen will. Wenn die FW und ihr Spitzenkandidat sich davon nicht abgrenzen können dann ist das eine Schande und macht deutlich, dass wo sie stehen.
Vorhin habe ich gesagt wo Dialog möglich ist müssen wir ihn führen denn zur Wahrheit gehört, nicht jede die nicht jeder der die AfD wählt ist ein Nazi, aber jede die jeder der die AfD wählt, wählt Nazis, das dürfen wir nicht vergessen. Vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Themen sind keine Alternative. Demokratie ist anstrengend, aber genau das muss sie auch sein. Kompromisse machen Politik aus. Wir dürfen nicht nachgeben, wir müssen weitermachen. Es gelingt uns nur gemeinsam. Ich möchte mit einem Zitat von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier enden. „Was die Demokratie braucht, sind selbstbewusste Bürgerinnen und Bürger mit Zuversicht und Tatkraft, mit Vernunft, Anstand und Solidarität. Ich weiß: Alles das steckt in uns, steckt in Ihnen, steckt in dieser gesamten Gesellschaft Und deshalb glaube ich an uns. Deshalb glaube ich an dieses Land.“ Danke an alle Menschen die auf die Straßen gehen. Danke an
Euch!
Marcel Buchta (OBM)
Liebe Wurzener, liebe Gäste,
nachdem es anfangs so aussah, dass ich es nicht schaffe, heute zu dieser Kundgebung zu kommen, freue ich mich, dass ich es doch geschafft habe und möchte nun meine Grußworte persönlich an Sie richten.
Es ist schön zu sehen, dass sich so viele Menschen für Demokratie und Toleranz in unserer schönen Stadt einsetzen und ein Zeichen setzen wollen. Mir geht es bei diesem Zeichen heute nicht um ein politisches Statement - um ein Zeichen, welche Partei gut oder schlecht ist, wer welche Meinungen vertritt etc. Nein, entscheidend ist für mich und unsere Stadt den Blick auf die menschliche Komponente, auf das Miteinander und das Liebevolle zu richten.
In den letzten Jahren haben unsere Stadt und die benachbarten Gemeinden ihre Anstrengungen darauf konzentriert, das Miteinander zu stärken. Zwar gibt es immer Raum für Verbesserungen, jedoch zeigen wir auf vielfältige Weise, dass uns Werte wie Toleranz, Menschlichkeit und Demokratie am Herzen liegen.
Wurzen hat in den letzten drei Jahrzehnten sämtliche Facetten extremer politischer Entwicklungen erlebt - sowohl negative als auch positive. Ich selbst habe in den 90ern die negativen Seiten links- und rechtsextremistischer Aktivitäten in Wurzen kennengelernt und bin froh, dass wir seitdem deutliche Fortschritte zu einer starken Mitte geschaffen haben.
Die letzten Jahre haben aber gezeigt, wie wackelig Erfolge sein können, weshalb ich mir auch nichts vormache, dass die Demokratie überall immer wieder gegen extreme Tendenzen verteidigt werden muss. Dafür brauchen wir eine starke, offene, aufgeklärte Stadtgesellschaft und keine Dogmen oder Parolen.
Dank zahlreicher Projekte haben Vereine und engagierte Bürger in den vergangenen Jahren das Bild des Wurzener Landes bunter gemacht. Ich möchte hier besonders das Internationale Jugendfußballturnier erwähnen, zu dem alle zwei Jahre Jugendliche aus verschiedenen europäischen Ländern nach Wurzen kommen. Auch die Special Olympics im vergangenen Jahr, bei wir für das Team aus Gambia Gastgeber sein durften oder unsere seit Jahrzehnten bestehenden Städtepartnerschaften haben gezeigt, wie wichtig uns die Gastfreundschaft und die Verbundenheit mit Menschen aus aller Welt sind.
Die Verlegung von Stolpersteinen für vertriebene und ermordete jüdische Familien sowie die Arbeit der Jungen Gemeinde zur Aufarbeitung der Geschichte sind weitere Beispiele für unser gemeinsames Engagement, welches auch Brücken zu den Nachfahren baut.
Dies alles wurde möglich, weil wir über den Tellerrand hinausgeblickt und gemeinsam im Wurzener Land nach Lösungen gesucht haben – trotz unterschiedlicher Meinungen und Ausgangssituationen. Der Schlüssel für diese Entwicklung liegt für mich in der Übernahme von Verantwortung. Nachdem die Verwaltungen den Anstoß gegeben haben, sind es die Menschen vor Ort, die diese Gemeinschaft tragen. Selbstverantwortung ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Zusammenlebens und trägt maßgeblich dazu bei, dass unsere Gesellschaft Barrieren abbaut und harmonischer wird.
Es ist entscheidend, dass wir uns bewusst sind, wie unsere Handlungen oder Nicht-Handlungen, das Gesagte und bewusst Nicht-Gesagte die Dynamik in einer Gesellschaft beeinflussen können. Nur durch aktives Engagement, durch Zuhören und Mitreden sowie einen reichlichen Schuss Gelassenheit können wir sicherstellen, dass wir eine Gesellschaft fördern, in der unterschiedliche Meinungen respektiert und akzeptiert werden.
Meinungen zu respektieren bedeutet nicht, diese zu vertreten. Wenn wir das bewusst leben, gelingt es uns auch, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Demokratie lebt vom Austausch in der Sache und fordert, nicht alles persönlich zu nehmen. Doch wir müssen auch klare Haltung wie heute zeigen, damit Menschen nicht ausgegrenzt, geschädigt oder gar getötet werden.
Das Ziel für uns Menschen muss daher immer sein, Konflikte friedlich zu lösen, über Grenzen und Barrieren hinweg zu sehen und verschiedene Perspektiven einzunehmen. Wie Henry Dunant, der Gründer des DRK sagte: „Dabei ist der wirkliche Feind nicht die Nachbarnation sondern die Kälte, das Elend, die Unwissenheit, die Gewohnheit, der Aberglaube [und] das Vorurteil.“
Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Wurzen auch weiterhin ein lebendiges Symbol für Vielfalt und Zusammenhalt bleibt. Egal, ob Sie sich über eine Äußerung ärgern oder ob Sie mit übergeordneten Entscheidungen NICHT einverstanden sind – Atmen Sie TIEF durch und bleiben Sie in Ihren Gedanken konstruktiv – denn:
Böse Taten beginnen zuerst im Kopf – aber auch die guten Taten!
Vielen Dank.
Zwei Einzelpersonen
Meine Brille is nich grade weil ich bin nich straight
I hope someday I can stand here unmasked and talk about my experiences, no honesty, I actually hope that seday we wont have to scream for justice, or to be heard. But for that, I need you to listen to us, take care of one another, and to leave no one behind.
Minha mãe costumava ignorar quando pessoas rassistas travam a mal
Eu acho que crescendo vendo ela ficando quieta me deu mais raiva
Então hoje em dia eu não só luto por causa do meu sofrimento, mas também por causa da minha mãe, e todas as outras pessoas que não sabem que podem resistir ou como.
Mano, nossas lutas são conectadas, bota isso na tua cabeça
Eu vejo rassismo e discriminação em cada lugar que vou, cada filme que assisto, cada dia
E não tem lugar que me protega
Então enquanto eu não tenho paz, voces também não terão.
Bota isso na tua cabeça
Rasizm Vyurtsena nenormalen
My ne mozhem pozvolit' etomu sluchit'sya s nami
my dolzhny organizovat'sya i zashchitit' sebya
Ich finde es absolut fantastisch dass wir uns alle hier versammelt haben, aber das kann bloß ein Anfang sein. Es sterben jetzt schon jedes Jahr tausende von Menschen im Mittelmeer und Deutschland exportiert mörderische Waffen in alle Welt, bloß um zwei Dinge zu nennen die Menschenverachtend sind und hierzulande akzeptiert. Ich finde wir können hier in Wurzen anfangen den schon existierenden Faschismus zu bekämpfen, und nicht bloß versuchen das schlimmste vom schlimmsten zu verhindern, was eine komplette Machtübernahme der AfD ist.
Versuchen wir mal diese Demo als Vernetzungstreff zu sehen und zu schauen, wer mit uns für ein besseres morgen für alle kämpfen möchte. Trotzdem möchte ich auch den Menschen danken die heute zu Hause bleiben mussten und an keiner Demo teilnehmen können, wir brauchen jeden einzelnen von euch auf die Art wie ihr euch einsetzen könnt.
Wir können nicht warten bis die politische Lage sich von alleine ändert, das wird sie nämlich nicht. Wir sind aktive Akteurinnen und in der Lage uns einzusetzen und zu solidarisieren, uns weiterzubilden. Ich lege jeder Demoteilnehmerin am Herzen dies zu tun.
Wurzen- was bist du für eins gute Gastgeber*in
Empfängst mich mit Fremdenhass und ganz viel Xenophobie im Sinn
Nimmst mir meinen Mantel der Sicherheit gleich bei der Türschwelle ab
Denn ich weiß, meine Präsenz verursacht bei dir bloß nur Hass
Als ich kam, sahst du nur Projektion
Ich in dir sowas wie nen Vergangenheits-Klon
Aus ner Zeit über die meine Oma noch viel schweigt
Weil sie trug unser aller Familien viel Leid
Ein Lächeln schenkst du mir selten, Staub fängt die Freundlichkeit in deinen Schränken
Ich stelle keine Gefahr für dich da, auch nicht, wenn ich mich aus Existenzangst wehre Trotzdem führst du dich auf als seist du verletzt in deiner Ehre
Versuchst meine Menschenrechte zu beschneiden mit deiner Schere
Aus Messing und Patriotismus
Wollte doch nur mit dir Tee trinken, sowas wie Hibiskus ...
Dr. Viola Heß (Ringelnatz-Verein)
Danke an Lena und Yannick vom Jugendparlament, die den Sinn der heutigen Veranstaltung öffentlich hinterfragt haben. Ich stelle mir vor, ich wäre in ihrem Alter zur LVZ gegangen, um öffentlich über Sinn und Nutzen der 1-Mai-Demo zu diskutieren. Wir stehen also schon deshalb hier, damit die beiden das weiter machen können. Und ich danke ihnen, dass sie mich angeregt haben, über meine eigenen Motive nachzudenken, warum ich hier teilnehme.
Ich möchte diese Gründe hier darlegen:
Ich bin seit 17 Jahren Mitglied im Joachim-Ringelnatz-Verein Wurzen und das zunächst aus literarischen Gründen. Mich hat das Naive und Rebellische, das Alltagsweise und das Krude an Ringelnatz Gedichten angezogen. Der verrückte Künstler, der über alles spottete, auch über Politik und Polizei, über Geld und Kapitalismus, über Spießbürger und Anbeter und wusste: Humor ist der Knopf, der verhindert, dass mir der Kragen platzt.
1 Als ich zur Vorsitzenden gewählt wurde, ahnte ich nicht, was bevorstand. Die Rettung seines Geburtshauses in Wurzen.
Es war für mich ein Experiment mit offenem Ausgang, die Ringelnatzfreunde und Literaturverein im ganzen deutschsprachigen Raum um Hilfe zu bitten, den Verkauf des Hauses zu verhindern es als Kulturstätte zu erhalten, trotz knapper kommunaler Kassen. Es war für uns damals 20 Mitglieder auch ein demokratisches Experiment. Würden sich freiwillige und kundige Mitstreiter finden?
Sie fanden sich. Nahezu in allen Bundesländern, in Sachsen, im Wurzener Land und in Wurzen. Und sie übernahmen freiwillig das, was sie konnten: die Arbeit an Website und sozialen Medien, Veranstaltungsorganisation, Literaturprojekte mit Kindern, Baubetreuung, das Ansprechen immer neuer Künstler, die Vernetzung mit anderen Literaturvereinen. Heute sind wir mit über 140 Mitgliedern eine deutschlandweit arbeitende Literaturgesellschaft mit Sitz in Wurzen und unser demokratisch organsiertes Netzwerk funktioniert und funktioniert…von Hamburg bis München.
2. Der zweite Grund: In Ringelnatz Geburtsstadt haben entgegen allen Verfemungen und künstlerischen Doktrinen immer Menschen das Erbe von Ringelnatz bewahrt. Die in den zwanziger Jahren angelegte Ringelnatzsammlung im Museum hat dank des Mitarbeiters Kurt Bergt die Nazizeit vollständig überstanden, obwohl in Berlin alle Bücher von Ringelnatz dem Feuer übergeben wurden, seine Bilder als entartet aus den Galerien entfernt wurden und er in Deutschland Auftrittsverbot hatte .1934 starb er, total verarmt und sehr krank. Zu seinem 100. Geburtstag 1983, also mitten im DDR-Sozialismus, kaufte die Stadt sein Geburtshaus zurück, sanierte es zum Kulturhaus und stiftete ihm einen Brunnen.
Sollten wir dann 2015 dem Verkauf zusehen? Das konnten wir nicht. Heute können wir Sie alle einladen, bei uns Mitglied zu werden. Wir wünschen uns junge Leute als Mitglieder, damit das schöne Engagement der Wurzener für ihren Dichter, das die deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ einmal als „Lichterkette durch die Zeiten“ bezeichnet hat, nicht abreißt. Das Geburtshaus ist heute ein Haus der Kunst und der künstlerischen Freiheit – die ein gültiger Gradmesser für den Zustand der Demokratie ist und bleibt.
3. Und es gibt einen dritten Grund. Das ist Ringelnatz selbst. Hinter seinem Rebellentum und seinem Humor steht eine große Herzensweisheit, die ihm und seinen Freunden auch geholfen hat, in der Zeit des Faschismus zu verhalten. Seine von ihm wegen ihrer großen schauspielerischen Leistung verehrte Freundin Asta Nielsen wurde von Goebbels umworben er versprach ihr sogar ein eigenes Filmstudio, um sie zur Galionsfigur zu machen. Als Asta Nielsen von dem Empfang bei Hitler und Goebbels für die Künstler, die sie Als Staatstreu gern an sich gebunden hätten zurückkam, war sie unsicher, beriet sich mit Freunden. Ringelnatz stritt nicht mit ihr. Er verurteilte sie nicht. Er las ihr ein kleines Gedicht vor. Danach meinte Asta Nielsen, er habe wie immer recht. Sie werde sich mit diesen Leuten nicht einlassen. Und daran hielt sie sich.
Ich möchte ihnen dieses Gedicht nicht vorenthalten:
So ist uns ergangen.
Vergiß es nicht in beßrer Zeit! –
Aber Vöglein singen und sangen,
Und dein Herz sei endlos weit.
Vergiß es nicht! Nur damit du lernst
Zu dem seltsamen Rätsel „Geschick“. –
Warum wird, je weiter du dich entfernst,
Desto größer der Blick?
Der Tod geht stolz spazieren.
Doch Sterben ist nur Zeitverlust. –
Dir hängt ein Herz in deiner Brust,
Das darfst du nie verlieren.
Sylke Mathiebe
Am 6. Juni 1940 erscheinen in Wurzen vor dem Verwaltungsinspektor Gerhard Reiche Herr Oberbürgermeister Dr. Armin Graebert als gesetzlicher Vertreter der Stadt Wurzen, Frau Hedwig Herta Sara verehel. Luchtenstein, geb. Markowitz und Herr Hugo Israel Luchtenstein. Sie vereinbaren folgenden Kaufvertrag: Frau Luchtenstein verkauft ihr in Wurzen, Fischerstraße 3, gelegenes Hausgrundstück mit allen Rechten und Lasten an die Stadt Wurzen zu einem Kaufpreis von insgesamt 35 000 Reichsmark. Der Kaufpreis, vermindert um noch bestehende Lasten und Hypotheken soll auf ein Sperrkonto auf den Namen von Hugo Luchtenstein überwiesen werden.
Der Verkauf des Hauses in der Fischerstraße 3 war der Endpunkt der Verfolgung, Enteignung und Vertreibung der jüdischen Familie Luchtenstein aus Wurzen. Bereits im November 1938 musste Hugo Luchtenstein, der als Inhaber eines Ladengeschäftes in der Jacobsgasse bei Kunden und Angestellten gleichermaßen geachtet war, sein Geschäft verkaufen, nachdem sein älterer Sohn Walter im Zuge der Reichspogromnacht verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht worden war. Der Erlös des Verkaufes ging auf ein Sperrkonto. Infolge einer Vereinbarung mit dem Käufer, der Fa. H. Eplinius & Co. KG, Inhaber Walter Bauer, der das Geschäft für den Bruchteil seines eigentlichen Wertes erwarb, hatte dieser zuvor einen Betrag von 1000 $ in der Schweiz deponiert. Dank dieses Geldes konnten die Brüder Hans und Walter Luchtenstein nach England fliehen und überlebten den Holocaust.
Zum Zeitpunkt des Verkaufs ihres Hauses in der Fischerstraße 3 hatten die Eheleute Luchtenstein Wurzen bereits verlassen und lebten in Berlin bei Verwandten. Nach den Unterlagen des Bundesamtes für offene Vermögensfragen wurde am 03.10.1941 ihr gesamtes Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Zwei Wochen später wurden beide nach Litzmannstadt deportiert und am 08.05.1942 in Kulmhof ermordet.
Nach den Akten des Grundbuchamtes ist fortan die Stadt Wurzen als Eigentümer des Wohngrundstücks Fischerstraße 3 im Grundbuch eingetragen. Zu welchem Zeitpunkt Oberbürgermeister Dr. Armin Graebert in das Haus der jüdischen Familie Luchtenstein eingezogen ist, lässt sich nicht eindeutig klären. Aus einem im Bundesarchiv gespeicherten Dokument vom 05. September 1941 geht aber hervor, dass für diesen Zeitpunkt als dessen Wohnadresse Wurzen, Fischerstraße 3, angegeben ist.
Drei Jahre nach Kriegsende schreibt der Antifaschistisch-Demokratische Block Wurzen an den Kommandanten des Speziallagers Nr. 3 in Bautzen und bittet um die Freilassung von Dr. Armin Graebert aus der Haft. Dieser war am 18.05.1945 unter Angabe des Haftgrundes „Bürgermeister“ durch das NKWD verhaftet worden. Als Begründung für die Bitte um Haftentlassung ist angegeben, dieser habe sich „während seiner fünfjährigen Amtszeit keinerlei Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Sein Handeln war in jeder Beziehung gerecht und anständig. ...“
Als letzte Wohnanschrift ist das Haus in der Fischerstraße 3 angegeben,
Ob die Mitglieder des Antifaschistisch-Demokratischen Blocks Wurzen gewusst haben, dass Dr Armin Graebert, bevor er nach Wurzen kam, während seiner Amtszeit als Kämmerer von Weimar maßgeblich am Bau des KZ Buchenwald beteiligt war und dass er hohe Parteiämter in der NSDAP innehatte, weiß ich nicht. Sie müssen aber als Ortsansässige gewusst haben, dass das Haus in der Fischerstraße 3 einer jüdischen Familie gehörte, an deren Enteignung und Vertreibung Dr. Gräbert beteiligt war und davon profitiert hat.
Dem NS-System ist es gelungen, solche Dinge, sogar im Nachhinein noch, im Verständnis vieler Deutscher als ganz normal zu verankern, auch in Wurzen wird über diesen Teil der Vergangenheit nur ungern diskutiert – obwohl die Hintergründe zur Person von Dr. Armin Gräbert nunmehr seit zwei Jahren bekannt sind, hängt im Ratssaal nach wie vor das zu seinen Ehren angebrachte Porträt und hat der 2019 gefasste Stadtratsbeschluss, nach ihm eine Straße in der Wurzener Kernstadt zu benennen, Bestand.
Luchtensteins waren Bürger unserer Stadt. Sie waren nicht reich, sie mussten ein Darlehen aufnehmen, um ihr Haus zu bauen. Ihre Söhne gingen hier zur Schule, sie haben in ihrem Geschäft Menschen Lohn und Brot gegeben und ihre Steuern bezahlt.
Ich stelle mir vor, wie es für sie war, als sie, nachdem sie schon alles andere verloren hatten, die Aufforderung bekamen, hierher nach Wurzen zu kommen, um ihr Haus zu verkaufen. Ich stelle mir vor, wie sie sich gefühlt haben, als sie mit diesem Oberbürgermeister am Tisch saßen, um diesen Vertrag zu unterschreiben, mit Vornamen, Sara und Israel, die ihnen per Gesetz aufgezwungen wurden, damit jeder sehen kann, dass sie Juden sind.
Die Leute, die jetzt von Remigration reden, wollen genau das wieder erreichen: Wir sollen es als normal ansehen, dass Menschen wie damals die jüdische Familie Luchtenstein, wegen ihrer Herkunft aus ihren Häusern, ihrer Stadt, ihrem Land vertrieben werden.
Damit das nicht passiert, ist es so wichtig, dass wir heute hier sind.
Regionale Netzwerkstelle für Demokratie im Landkreis Leipzig (RNW)
Die heutige Kundgebung ist eine von sehr vielen Kundgebungen und Demos, die zur Zeit in Deutschland, in Sachsen und bei uns Im Landkreis stattfinden. Den Grund kennen wir alle: Wir wollen zeigen, dass wir mehr sind und wir wollen nicht, dass die Themen der extremen Rechten die Öffentlichkeit und den öffentlichen Diskurs bestimmen und wir wollen ihnen auch ganz sicher nicht die Straße überlassen.
Die letzten Wochen haben gezeigt, dass wir viele sind, sehr viele. In den letzten Wochen waren bei Demonstrationen in Berlin, München, Leipzig viele Tausende, Zehntausende und auch mal Hunderttausende Menschen. Aber noch viel Wichtiger war es, das auch in den ländlichen Regionen Leute auf die Straße gegangen sind, auch in Ostdeutschland und in Sachsen.
Als Vertreter der Regionalen Netzwerkstelle für Demokratie im Landkreis Leipzig will ich einen Blick auf die Entwicklungen der letzten Wochen im Landkreis werfen. Damit möchte ich zeigen, dass unser Landkreis mitnichten nur von Stillstand und Frustration geprägt ist. Wie schon gesagt, auch im Landkreis Leipzig sind viele Menschen auf die Straße gegangen. In Borna waren es Ende Januar etwa 300 Menschen. In Grimma waren es Anfang Februar 750 Menschen, in Pegau 350 Personen und in Markranstädt waren 150 Leute. Außerdem gab es eine Kundgebung in Markkleeberg mit 300 Personen, nun hier in Wurzen sehen wir wieder viele hundert Menschen. Heute ist außerdem in Markranstädt eine Demonstration. Am 24. März wird es eine Demonstration in Colditz geben.
Bei den Vorbereitungen dieser Demonstrationen und Kundgebungen sind alte Bündnisse wieder zusammengekommen und neue entstanden. Dabei gelang in vielen Städten ein Schulterschluss zwischen Stadtgesellschaft, Bürger:innenschaft sowie Lokalpolitik und aktivistischen Gruppierungen und Strukturen, die gemeinsam zum Ausdruck brachten, dass sie sich entschieden gegen Faschismus und Menschenfeindlichkeit stellen Damit haben wir in den letzten Wochen sehr deutlich gezeigt, dass viel mehr Menschen keinen Bock auf Rechtsradikale und deren rassistischen Deportationspläne haben also man das in den Monaten und Jahren davor dachte und vom braun-blauen Osten sprach.
Als Regionale Netzwerkstelle für Demokratie im Landkreis - die es nun seit etwas mehr als einem Jahr gibt - haben wir auch einen guten Einblick in die demokratischen Bemühen abseits des gegenwärtigen Demonstrationsgeschehen. Und es gibt sicherlich im ländlichen Raum weniger engagierte Menschen und Organisationen als dies vielleicht in den Großstädten der Fall ist und natürlich braucht der Landkreis mehr Vereine, Organisationen und Engagement, die sich aktiv gegen Rechtsradikale einsetzen. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es durchaus eine Vielzahl von Akteurinnen und Akteuren gibt, die sich jeden Tag für Demokratie, Vielfalt und eine offenen Gesellschaft einsetzen. Diesen Menschen und Organisationen gilt unser Dank. Diese Menschen und Organisationen sollten unsere Hilfe und Unterstützung erhalten.
Zu nennen wären da zum Beispiel eine Vielzahl von engagierten Privatpersonen, die sich seit Jahren mit großen Mut und Engagement gegen eine rechte Übermacht in ihren Kommunen stellen. Sei das zum Beispiel die Kulturwerkstatt in Geithain, die nun endlich als freier Träger der Jugendhilfe auch außerhalb des Ehrenamts Menschen in Geithain demokratische Werte und Kulturanbieten kann. Oder sei das eine Person aus Colditz, die sich offen und klar gegen rechte kriminelle Strukturen stellt und sich auch von übelsten Drohungen nicht einschüchtern lässt.
Erwähnt sei auch die Lokale Partnerschaft für Demokratie, die seit mehr als 15 Jahren Demokratieprojekt fördert, stärkt und selber durchführt und zwar landkreisweit. Oder der Kinder- und Jugendring des Landkreises, der Jugendlichen seit vielen Jahren eine Stimme gibt, sie in Beteiligungsprozesse integriert und es ihnen ermöglicht, sich für ihre Wünsche und Bedürfnisse einzusetzen. Auch mit Hilfe des KJR gibt es mehr als 50 Selbstbestimmungsorganisationen im Landkreis Leipzig. Oder nehmen wir die Unterstützung von migrantischen Menschen, hier gibt es in mehren Kommunen Landkreises Vereine, die Geflüchteten helfen, in Deutschland anzukommen, sich zurechtzufinden und für ihre Rechte einzustehen. Es gibt sogar eine selbstorganisierte migrantische Frauengruppe im Landkreis, die anderen MigrantInnen im Landkreis hilft und insgesamt für migrantische Rechte wirbt.
Oder nehmen wir die vielen Organisationen und Kultureinrichtungen im Landkreis, die mit ihrer ganz speziellen Arbeit das kulturelle und damit das demokratische Leben im Landkreis stärken. Ob das nun ein regelmäßiger Kulturmarkt mit utopischer Tafel, Strickverein und Livemusik in Colditz ist oder ein Kulturkino in Zwenkau, was neben einem Filmprogramm auch mit Audioguides zur jüdischen Geschichte und mit migrantischen Stammtischen einen wichtigen Teil zur demokratischen Bildung beiträgt.
Oder nehmen wir die vielen internationalen Feste oder Sportturniere, wie zum Beispiel ein internationales Volleyballturnier in Geithain am nächsten Wochenende, ein internationales Fußballturnier hier in Wurzen im Juni, aber auch Musik- und Kulturfeste wie sie regelmäßig in Grimma stattfinden oder drei große Jugendfestivals, die dieses Jahr an verschiedenen Orten im Landkreis stattfinden werden.
Oder nehmen wir die vielen Netzwerke, Arbeitskreise und Runden Tische, die es im Landkreis gibt, die sich gegen Diskriminierung stellen oder die für die Rechte von Menschen mit Behinderungen kämpfen oder die sich um die Bedürfnisse von Geflüchteten kümmern.
Aber natürlich bedeutet diese schöne Aufzählung nicht, dass alles in Butter ist im Landkreis. Nein, die letzten Monate und Jahre waren auch viele tausende AntidemokratInnen auf den Straßen, so zum Beispiel bei den immer nur regelmäßig stattfindenden Montagsdemonstrationen oder den Corona-Spaziergängen, aber auch bei den widerlichen Aufmärschen vor Geflüchtetenunterkünften. Und leider können wir sicher sein, dass sie es wieder tun werden. Hier gilt es, diesem Mob entgegenzutreten und dies erreicht man am besten, indem man selber aktiv wird, sich einbringt, für die Demokratie streitet und die vielen bereits schon aktiven Initiativen, Gruppen, Bündnisse und Organisationen im Landkreis - wo von ich gerade nur ein paar aufgezählt habe - unterstützt. Außerdem kann man ganz konkret aktiv werden am 9. Juni und am 1. September, in dem man wählen geht und so viele Menschen aus seinem nahen Umfeld wie möglich davon überzeugt, auch wählen zu gehen. Denn jede fehlende Stimme, ist eine Stimme für die Falschen!
Und weil ich von den Menschen aus unserem nahen Umfeld sprach. Ich wünsche mir wieder mehr Streit, mehr Diskurs, mehr Meinungsaustausch Ich nenne das den demokratischen Nahkampf. Mit Corona fing es an, dass innerhalb der Freundes- und Familienkreise bestimmte Sachen nicht mehr ausdiskutiert wurden. Man wollte Streit und Entzweiung verhindern. Genau so ist mir das auch in meiner Familie passiert. Ich habe mit bestimmten Familienmitgliedern nicht mehr über bestimmte Sachen diskutieren wollen. Unterdessen sehe ich das anders. Der Nahbereich ist der Bereich, wo wir Menschen erreichen, überzeugen und von rechtsradikalen Ideologien abbringen können. Deshalb wünsche ich hier mir wieder mehr Widerspruch, wenn Freunde, der Onkel oder der Opa rechtsradikale Meinungen am Wohnzimmer- oder Stammtisch loslassen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass diese Meinungen unwidersprochen hingenommen werden, denn auch dadurch werden solche rechtsradikalen Meinungen und Ansichten erst so laut und omnipräsent in der Öffentlichkeit. Wir müssen uns also nicht nur die Straßen, sondern insgesamt die Öffentlichkeit wieder zurückholen.
Hand-in-Hand-Bündnis Berlin
schön, dass wir alle zusammen heute hier zusammenkommen.
Ich weiß nicht, ob’s euch gerade genauso geht wie mir. Ich stehe gerade hier, schaue zu meinen VorrednerInnen und denke so: Wow, was für mutige Menschen.
Was ihr hier schon seit Jahren auf die Beine gestellt habt und noch immer stellt, ist wirklich beeindruckend. Davor ziehen wir unseren Hut.
Wen meine ich, wenn ich wir sage?
Ich bin hier als Teil von dem Bündnis “Hand in Hand“ aus Berlin. Berlin, eine Stadt, in der die Arbeit für eine offene und bunte Demokratie verglichen mit Orten wie Wurzen leicht ist. Umso größer ist unser Respekt vor Euch und eurem Mut, diese wichtige Arbeit hier trotz der schwierigen Bedingungen zu machen und heute hier zusammenzukommen.
Wir als Hand in Hand haben einen Aufruf gestartet für den Schutz und die Förderung unserer pluralistischen und inklusiven Demokratie. Und schon jetzt haben sich mehr als 2000 Organisationen deutschlandweit diesem Aufruf angeschlossen.
In Berlin haben am 03. Februar 300.000 Menschen mit uns vor dem Bundestag ein Zeichen gesetzt.
Und jetzt schließen sich deutschlandweit immer mehr Ortsgruppen zusammen, um diese Arbeit fortzuführen, denn gemeinsam sind wir stark und gemeinsam leben wir echte Demokratie.
Ich stehe also heute stellvertretend für dieses Bündnis und seine Menschen hier mit Euch, um Euch den Rücken zu stärken und Euch zu zeigen: Menschen in Wurzen: Ihr seid nicht allein.
Wir sehen und unterstützen Euch. Und stehen an eurer Seite. Dresden, Leipzig, Berlin und so viele andere sind gemeinsam mit Euch hier. Heute und in Zukunft.
Das hier ist kein Strohfeuer, es ist der Anfang.
Der Anfang bundesweiter Vernetzungen, Aktionen und Unterstützung für die Arbeit an einer widerstandsfähigen Demokratie gegen den Rechtsextremismus - mit Hinblick auf die Landtags- und Europawahlen und die Zeit danach.
Unser Ziel ist es, unsere Gesellschaft wieder zusammenzubringen und zu stärken.
Und gerade weil diese Arbeit in manchen Orten nicht ungefährlich ist, möchten wir nochmal riesiges Dankeschön an die mutige Orga hier vor Ort aussprechen.
Es ist so unfassbar, was ihr hier schon so lange aushaltet und leistet. Danke, dass ihr trotz Angriffen von rechts weitermacht.
Wir stellen uns solidarisch hinter Euch.
Demokratie ist ein Handwerk.
Und es gibt in diesem Handwerk für uns im Moment viel, das schief läuft und dass wir anpacken müssen. Gleichzeitig gibt es viel, was wir tun können und was ihr hier in Wurzen schon lange angeht.
Und dafür braucht es uns alle. Es braucht jede und jeden Einzelnen von uns in Form einer starken Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft mit klarer demokratischer Haltung. Zu Hause, auf der Arbeit und in der Freizeit.
Alle gemeinsam Hand in Hand.
Und wir brauchen eine Politik, die sich nicht von populistischer Rhetorik am Nasenring durch die Manege ziehen lässt, sondern mutig einen klaren Blick behält für die Dinge, die wichtig sind: Der Schutz unserer Grundrechte für uns alle.
Lasst uns nicht einfach nur nebeneinander rumstehen. Lasst diese Demo ein Ort der Begegnung und Vernetzung sein. Lasst uns uns zusammentun, unsere Kräfte bündeln und in jeder Straße in jedem Ort dieses Landes kleine Keimzellen einer gesunden und wehrhaften Demokratie entstehen. Lasst uns in Kontakt bleiben, lasst uns zusammenarbeiten und einander unterstützen. Hier in Wurzen und an jedem anderen Ort.
Lasst 2024 das Jahr werden, in dem wir unsere Demokratie wiederbeleben und uns gemeinsam schützend vor sie stellen. Wir sind solidarisch, wir stehen zusammen, denn wir sind die Brandmauer.
Und auf dieser Mauer steht in bunten Farben:
Für Solidarität und Respekt
Für Gerechtigkeit und Toleranz und
für eine Gesellschaft, die niemanden zurücklässt.
Danke Wurzen.
Es ist eine Ehre, an eurer Seite zu stehen.
Redebeitrag der ev. Kirchgemeinden
„Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ – Das sind Worte aus der Bibel an eine christliche Gemeinde. Die Gemeinde erlebte Anfeindungen und es gab viel Streit untereinander. Das kennen wir auch.
Seid wachsam. Geht mit offenen Augen durchs Leben. Schweigt nicht. Seht nicht weg. Tut etwas, für Menschen, die in Not sind. Für die, die ausgegrenzt oder verfolgt werden. Wir sollen den Schwachen in unserer Gesellschaft zur Seite stehen. Für sie sprechen. Jesus Christus zeigt uns, wie das geht. Daran können wir uns orientieren. Er hat gesagt: „Was ihr für euren direkten Mitmenschen tut, das tut ihr mir.“
Seid wachsam, denn „Nie wieder ist jetzt.“ Wir alle stehen in der Verantwortung, uns einzusetzen. Lasst uns unsere freiheitlich-demokratische Kultur bewahren. Lasst uns eintreten, für den Erhalt unserer Menschenrechte. Lasst uns stark machen für eine vielfältige Gesellschaft. Wir erinnern an die unvorstellbaren Gräueltaten und den millionenfachen Mord unserer jüdischen Geschwister. Wir stehen auch heute fest an ihrer Seite. Sie sollen ohne Angst in unserem Land leben können. Nie wieder ist jetzt.
Steht fest im Glauben. Wir alle leben nicht nur für uns selbst. Jesus Christus ist in unsere Welt gekommen. Er hat sie für immer verändert. Er sah die Ausgegrenzten, er hat seinen Feinden vergeben, er hat Versöhnung gefordert., er suchte den Frieden. Jeder Mensch, der uns begegnet ist in diesem Moment unser Nächster. Und wir sollten andere so behandeln, wie wir selbst behandelt werden wollen. Wir sind in diese Welt gestellt, sie zum Besseren zu verändern.
Seid mutig und seid stark. Es ist nicht immer einfach, sich einzusetzen. Es braucht Mut, eine andere Position zu vertreten. Es kostet Kraft, aufzustehen. Sich einzubringen, für eine menschenfreundliche, friedliche und gerechte Welt. Doch heute wird hier im Wurzener Land deutlich: Wir sind nicht allein. Es passiert viel Gutes. Wir können mutig und gestärkt wieder von hier weggehen. Jede und jeder von uns kann etwas tun, heute und morgen. Ich glaube daran, dass Gott uns am Ende der Zeiten fragen wird: Wo warst du?
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Als Christen verstärken wir nicht das Trennende. Wir suchen das Verbindende. Es ist wichtig, im Gespräch zu bleiben. Wir müssen Ängste und Sorgen ernst nehmen. Wir sollten nach ihren Ursprüngen suchen. Jeder Mensch ist von Gott geschaffen. Er kann mir noch so fremd sein. Die Welt ist nicht einfach in Gut und Böse zu trennen. Wir alle können uns jeden Tag neu entscheiden. So oder so. Lasst uns aufmerksam bleiben. Lasst uns darauf achten, was um uns geschieht.
Es liegt an mir, es liegt an Ihnen, es liegt an uns.
Seid wachsam, steht im Glauben, seid mutig und stark und alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.